Der Tote im Eiskeller
Bemühungen, das endgültige Ende der Hoffnung gebiert.
Grabbe und die Wachsoldaten hielten mit ihren Gewehren die Gaffer im Zaum, die nach Hannes erstem Schrei in den Hof drängten. Wagner sah nicht zufrieden aus. Er stand stumm da und hörte zu, was die so zerbrechlich erscheinende Frau dem Mann erzählte, den er für den Schuldigen halten wollte und der für sie wie ein Bruder war. Hanne und Rutger hockten auf dem Boden und kümmerten sich nicht um die Welt. Er hielt sie fest, und sie sprach.
Sie hatte ihren Hass gegen den Mann, der an Willes jämmerlichem Tod im Kerker Schuld trug, für lange Monate fest in sich verschlossen. Sie tat ihre Arbeit, so gut es ging, und in den Nächten, wenn sie in ihrem Schuppen lag und auf die Geräusche der Tiere hörte, auf das Gelächter und das lustvolle Stöhnen aus Madame Reginas Haus, versuchte sie, nur an ihr Kind zu denken.
Ihr Hass loderte auf, als sie Viktor Malthus am Ende des Hochsommers in der Gaststube bediente. Es war nicht das erste Mal, aber Hanne war keine, die er beachtete oder mehr als flüchtig ansah. Die Frau, für die einer seiner Soldaten gestohlen hatte und gestorben war, hatte er in ihr nie wieder erkannt.
An diesem Abend trank er mit Freunden auf seine Zukunft als Ehemann. Und auf Fenna. Sie sei für ihn mehr als eine gute Partie, wurde er nicht müde zu versichern, mit Fenna werde er sogar glücklich sein, ihr gehöre sein Herz, für alle Zeit. Auf Dauer gebe es doch kein kommoderes Leben als daheim bei Frau und Kindern. Madame Reginas Haus werde er endgültig den Rücken kehren. Alle lachten. Viktor auch, nur nicht so laut wie die anderen.
Ihn in den Eiskeller zu locken war ganz einfach. Er hatte gerne damit geprahlt, seine Familie habe einen eigenen gemietet, groß genug für drei Pferde samt Sattelzeug und für einen Vorrat, der bis zum nächsten Winter reiche. Er sagte auch, der Keller im Wall sei dieser Tage frisch gefüllt worden, bis an den Rand, die Kälte darin sei mörderisch. Da hatte Hanne gewusst, was sie tun würde.
Es dauerte nur zwei Tage, bis er das nächste Mal kam. Als er wieder ging, erwartete ihn vor der Tür eine dünne junge Frau, sie war aufgeputzt wie eine von denen, die für Madame Regina arbeiteten, und für so eine hielt er sie auch. Der Wind in jener Nacht begann schon aufzufrischen und zerrte an ihren Röcken. Ihre Schminke war zu dick aufgetragen, ihr Lächeln zitternd, ihre Worte schmeichelten ungeschickt – vielleicht fühlte er den Reiz dessen, was in solchen Häusern als frisches Fleisch angepriesen wurde. Sicher hatte ihn der Wein übermütig gemacht. Jedenfalls war es leicht, ihn dazu zu bringen, der kleinen Hure den Eiskeller zu zeigen, gleich in dieser Nacht, wenn es dunkel und geheimnisvoll war, und, ja, auch das, ihr ein Stück der glitzernd gefrorenen Kälte zu schenken. Um ihr heißes Herz zu kühlen, hatte er lachend gesagt.
An die Wache vor der Mine hatte Hanne nicht gedacht. Dass in dieser Nacht keine dort stand, war reines Glück und schien nur zu beweisen, wie gut ihr Plan war. Als eraus der Soldatenhütte nahe der Bastion ein Licht holte, drückte sie sich in den Schatten des Hauses und zog sich ihr Schultertuch über den Kopf. Niemand sah sie.
So schwer es ihr gefallen war, seine Küsse und Hände zu ertragen, so leicht fiel es ihr, den Mann, der stolz das Eis präsentierte, mit aller Kraft umzustoßen, als er sich niederbeugte, um mit seinem Messer ein Stück für sie herauszubrechen. Sein Kopf schlug auf das Eis, er war benommen, doch nur kurz, sie hörte sein verblüfftes Lachen, seinen Ruf: ‹So lauf doch nicht weg!›, sein schreiendes ‹Nein›, als sie die Tür zuschlug, das Brett hochwuchtete und in die Halterungen klemmte, seine gegen das unbewegliche Holz hämmernden Fäuste, als sie die dunkle Treppe hinaufstolperte.
Dann hörte sie nur noch den Wind und rannte und rannte, bis sie ihren Schuppen erreichte, sie riss die süßlich riechenden Kleider herunter und schlüpfte in ihre eigenen. Sie ließ das ärgerliche Gezänk des Mädchens über sich ergehen, deren Schminke sie benutzt und deren Kleider sie für eine Stunde oder zwei ungefragt geborgt hatte, und fiel endlich erschöpft auf ihr Lager.
In dieser Nacht schlief sie ruhig und tief. Wenn das Rütteln und Pfeifen des Sturms in ihre Träume Einlass fand, spürte sie es nicht. Die Träume dieser Nacht gingen ihr so endgültig verloren wie der Traum von einem besseren Leben.
Wagner hatte zugehört wie alle anderen. Er wusste
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