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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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er gute gebrauchte fand, konnte er sich einreden, sie seien so gut wie neu. Mit ein bisschen Glück fand er beste Ware, die der Schuster von einem unzufriedenen vornehmen Kunden zurückgenommen hatte und billig wieder hergab. Mit einem Extranachlass für den Weddemeister.
    So etwas war nicht korrekt und widersprach seinen Prinzipien. Wenn man es aber als eine Art Deputat ansah, konnte es angehen. Karla, die in den meisten Dingen erheblich praktischer dachte als ihr Ehemann, würde es als selbstverständlich ansehen und nicht weiter fragen. Das tat sie nie. Im Gegensatz zu ihm besaß sie die Gabe, das Gegebene einfach hinzunehmen. Zumeist mit einem Lächeln. Mit diesem windhauchleichten Lächeln, das ihn nach anderthalb Ehejahren noch entzückte, als sehe er es zum ersten Mal.
    Die Erinnerung wärmte sein Herz, ein wenig sogar seine nassen Füße. Er schob seinen Hut zurück, bog zum Jungfernstieg ab und öffnete nach wenigen Schritten dieschmiedeeiserne Pforte zum Stadtgarten der Kunst- und Handelsgärtnerei Malthus.
    Unter seinen Pflichten gab es einige, vor denen er sich gern gedrückt hätte. Zum Beispiel bei den Hinrichtungen dabei zu sein, ob am Galgen, durch das Schwert oder unter dem Rad. Das war ihm das Schlimmste. Er verstand nicht, warum das quälende Ende eines Menschen, selbst eines durch und durch schlechten – was tatsächlich nicht alle waren, die auf dem Galgenfeld endeten   –, warum dieser Anblick für die meisten Leute ein vergnügliches Spektakel war. Gleich danach kam seine Pflicht, Todesnachrichten zu überbringen.
    Er drehte sich noch einmal nach dem Vogelhändler um. Vielleicht sollte er die Gelegenheit nutzen und gleich nach dem Pass fragen, bevor der Österreicher irgendwo im Labyrinth der Gängeviertel untertauchte, vielleicht   …
    Energisch öffnete er die schmiedeeiserne Pforte zum Malthus’schen Garten und machte sich auf die Suche nach Elias Malthus. Zum Glück musste er die Nachricht vom Tod ihres Sohnes nicht Madame Malthus überbringen. Als er in dem Haus in der Düsternstraße anklopfte, erklärte ihm die Magd, Madame mache Besuch in Jork; sie sei vor drei Tagen abgereist und werden heute gegen Abend zurückerwartet. Falls das Wetter es zulasse, gefahrlos die Elbe zu überqueren, was nach der vergangenen Nacht nicht sicher sei. Wenn es um eine Angelegenheit der Gärtnerei gehe, möge er sich an den jungen Herrn wenden, Monsieur Malthus sei im Garten beim Gänsemarkt.
    Der große Garten erstreckte sich von der den Opernhof begrenzenden Häuserzeile bis an die innere Alster, im Norden reichte er bis zum Kalkhof. Der beiden anderen Malthus’schen Gärten vor dem Stein- und dem Dammtor dienten als Baumschulen, hier, mitten in der Stadt, wartetedas Paradies der Blumen und Stauden. Im hinteren Teil standen, mit Lebensbaumhecken gegen raue Winde geschützt, die Glashäuser. Die meisten beherbergten die empfindlichen Gewächse aus wärmeren Ländern und Kontinenten, zum Beispiel Lorbeer und verschiedene Arten von Citrus-Bäumchen. Auch Bergamotte war darunter, ein Feigenbaum und Ananasstauden, Aloen, Arabischer Jasmin oder peruvianische Sonnenwendstauden und die stolze Kaiserkrone. Während der Sommermonate standen die meisten in großen Töpfen und Kübeln in besonders sonnigen und windgeschützten Ecken des Gartens, bis sie mit dem Beginn der kühlen Nächte wieder den wärmenden Schutz der verglasten Wände brauchten
    Von dem einst großen Küchengarten war nur ein geringer Rest geblieben, die meisten Samen für Gemüse und Kräuter im Malthus’schen Angebot stammten von den Bauern vor den Toren bis weit ins Lüneburgische und anderen, auch ausländischen Gärtnereien. Der Garten war vor fast siebzig Jahren angelegt worden und gehörte zu den Attraktionen der Stadt, selbst in englischen Reisebüchern wurde er als Ort der Erquickung der Seele gepriesen. Mit seinen Spazierwegen unter alten Bäumen und für das Auge erquickenden kleinen Rasenstücken stand er allen offen, die sich an ihm erfreuen wollten. In den Sommermonaten war der Garten ein wohlgeordnetes Blütenmeer, doch schon von den ersten Schneeblumen im Februar bis zu den Winterlevkojen im Glashaus – irgendetwas blühte fast immer.
    Selbst Wagner, der wenig Sinn für die Freuden der Gärtnerei hatte, hatte den Garten schon einige Male mit seiner Frau besucht. Zuletzt zur Zeit der Tulpen, Narzissen und Hyazinthen, Karlas Freude an der Vielfalt der Farben und Formen, an den süßen Düften, hatte ihn angesteckt, obwohl er

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