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Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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raschen Blick auf Augustas Karaffe.
    «Was!?», rief Anne. «Etwa Ratten? Es gibt zahllose in der Stadt. Aber in einem solchen Keller müssen doch sogar die erfrieren.»
    Thea schüttelte den Kopf. Ihre Röte wechselte zu plötzlicher Blässe, und ihre Lippen wurden schmal. «Nein», sagte sie, «keine Ratten. In Eurem Eiskeller, Madame Herrmanns, hockte ein Mann, in einer Ecke tief im Stroh. Er war tot, aber ich habe ihn gleich erkannt. Es ist entsetzlich, wie soll ich es nur Fenna sagen? Der Tote, Madame, ist Oberleutnant Malthus. Der arme Monsieur Viktor. Er ist in diesem fatalen Keller erfroren.» Plötzlich aufschluchzend schlug sie die Hände vor ihr Gesicht. «Jämmerlich erfroren», klang es dumpf durch ihre Finger. «Und Fenna – ach, das arme Kind.»
    «Wir müssen sie suchen, Anne», sagte Augusta, die als Erste ihre Sprache wiederfand. «Sie ist noch nicht von ihrem Spaziergang zurück. Nichts verbreitet sich so schnell wie schlechte Neuigkeiten. Es wäre schrecklich, wenn sieauf der Straße davon erführe. Mamsell Thea, wisst Ihr, wo Fenna spazieren gehen wollte?»
    Thea nahm die Hände vom Gesicht und schüttelte den Kopf. «Nein. Natürlich weiß ich so etwas für gewöhnlich immer, schon seit sie geboren wurde. Und natürlich habe ich sie immer begleitet. Es geht nicht an, dass eine junge Dame alleine   …» Sie zog ein Tuch aus der Tasche und putzte sich, energischer als es in einem Salon erlaubt war, die Nase. «In den letzten Tagen hat sie zwei Mal darauf bestanden, allein auszugehen. Da Ihr, Madame», sie warf Anne einen missbilligenden Blick zu, «sie darin unterstützt habt, habe ich ihrem Wunsch entsprochen, obwohl Monsieur Lehnert solche Freiheiten nicht billigt. Besonders in der Brautzeit ist die Makellosigkeit des Betragens   …»
    «Das mag sein.» Die steile Falte über Annes Nasenwurzel zeugte von nur mühsam beherrschter Ungeduld. «Nun ist nicht die Zeit, Fragen der Schicklichkeit zu erörtern. Wo könnte Fenna sein? Sie liebt die äußere Alster, aber alleine würde sie nicht durch das Dammtor gehen. Ob wir sie auf der Promenade finden? Am Jungfernstieg?»
    «Ich glaube, die Suche erübrigt sich.» Augusta hob den Finger ans Ohr und lauschte mit geneigtem Kopf. «Das ist doch ihre Stimme?»
    Tatsächlich klang Fennas Stimme von der Diele hinauf in den Salon, sie begrüßte den alten Blohm, Diener und Faktotum des Hauses, der es sich trotz seiner steifen Knochen nicht nehmen ließ, Besuchern die Tür zu öffnen. Die drei Frauen, Anne, Augusta und Thea, lauschten in stummem Unbehagen. Dann hörten sie Fenna rasch und leicht die Treppe hinauflaufen, und sie betrat den Salon.
    Ein Blick auf ihr Gesicht verriet, dass ihr niemand, auch nicht der alte Diener, die Neuigkeit berichtet hatte. Der lange Spaziergang hatte die Schatten über ihrer Seele vertrieben.Keine Spur mehr von der Blässe der letzten Tage, ihre Wangen waren wieder rosig, ihre Augen blank.
    «Voilà», rief sie vergnügt und zeigte auf ein duftiges Gebilde aus mit Spitzen gerändertem und winzigen weißen Federn und Blüten aus pastellfarbener Seide besetztem Musselin, das einer zarten Wolke gleich auf ihrem Haar festgesteckt war. «Wie gefällt euch meine neue Haube? Wenn man diese Winzigkeit überhaupt Haube nennen kann, vielmehr ist es ein Hütchen. Ach, ich muss mich entschuldigen, Mesdames, während der letzten Tage war ich so missgestimmt, ganz ohne echten Grund. Das ist nun vorbei, und zum Zeichen», sie schnippte kokett gegen das Häubchen, «habe ich mir das hier geschenkt. Und ich habe wunderbare Stoffe gesehen. Könntet Ihr heute Nachmittag eine Stunde erübrigen, Madame Herrmanns, und mir bei der Auswahl für zwei Winterkleider helfen? Oder morgen? Ich vertraue ganz auf Euren Geschmack. Du meine Güte, Thea!» Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Zofe erheblich anders aussah, als sie es gewöhnt war. «Was ist geschehen? Bist du in einen Tumult geraten?»
    «So etwas Ähnliches, ja.» Thea erhob sich steif und nahm Fenna am Arm. «Setz dich, Kind», sagte sie, ihre Stimme klang erstaunlich sanft. Augusta füllte unauffällig ein Glas mit Branntwein, und Anne legte ihre Hand auf Fennas.
    «Ihr macht mir Angst.» Fenna versuchte ein unsicheres Lachen. «Gibt es Nachricht von meinem Vater? Ist das Schiff   …?» Sie verstummte ängstlich, ihre Wangen waren wieder so blass wie in den Tagen zuvor.
    «Nein.» Anne begriff, dass Thea sich ausnahmsweise an die Spielregeln hielt und, obwohl es um ihren Schützling

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