Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote im Eiskeller

Der Tote im Eiskeller

Titel: Der Tote im Eiskeller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
pustete sanft über die trocknende Farbe. «Ist das der geheimnisvolle Mann, dessen Briefe du so sehnlich erwartest?»
    «Ich warte, ja. Daran ist allerdings nichts geheimnisvoll und ob sehnlich oder nicht, ist unwichtig. Woher weißt du das?»
    «Ich habe Ohren, Rosina. Es tut mir Leid, an Magnus Vinstedt erinnere ich mich nicht.»
    «Aber er hat ein Fernrohr, ein sehr schönes, und ich weiß, dass er es in Göttingen gekauft hat. Und wieso kennst du seinen Vornamen? Ich habe ihn nicht genannt.»
    Maline lehnte die Glasscheibe behutsam gegen das Holzkästchen, und während sie das nächste aufnahm, sagte sie: «Als ich beschloss, zu den Fahrenden zurückzukehren, dachte ich, die Zeit des Misstrauens sei vorbei. Warum sollte ich behaupten, jemanden, den ich kenne, nicht zu kennen? Wenn du den Namen nicht genannt hast, dann habe ich ihn von den anderen gehört. Oder von der Krögerin. Ist das so wichtig?»
    «Verzeih, Maline. Es ist überhaupt nicht wichtig. Ich weiß nur nicht, warum er nach Göttingen geritten ist. Ich dachte – ach, ich weiß nicht, was ich dachte.»
    Die trotzige Lust, sich als leichtfertiges Frauenzimmer herauszuputzen und zu den Soldaten auf den Wall zu gehen,war ihr vergangen, und sie entschied sich für einen anderen Besuch, der nichts mit Überfällen, Morden oder Eiskellern zu tun hatte.
    Als sie kurz darauf auf dem Weg zum Millerntor und dem Hamburger Berg über den Großneumarkt ging, blieb sie vor zwei barfüßigen Jungen stehen, die eine magere Ziege am Strick hielten und auf einen Käufer hofften. Die Jungen blickten ihr missmutig nach, als sie eilig weiterging, ohne auch nur nach dem Preis gefragt zu haben.
    Und Rosina überlegte, ob es nicht doch Malines Rock gewesen war, den sie gesehen hatte. Da war dieser leichte, doch eindringliche Geruch gewesen, als sie sich über ihre Schulter beugte, um einen Blick auf die Skizzen zu werfen. Ein Geruch, den sie schon häufiger von ihren Spaziergängen mitgebracht hatte, und nun wusste Rosina auch, was es war. Ziegengeruch, eindeutig und unverkennbar Ziegengeruch. Und den hatten Malines Kleider am Morgen, als sie beim gemeinsamen Frühstück eng nebeneinander auf der Bank im Hof saßen, noch nicht verströmt.
    Als sie über die Zugbrücke des Millerntores lief und über das weite Tal der Elbe und die Hamburger Berg genannte Ebene nach Altona sah, schalt sie sich eine misstrauische Person. Sie hatte sich schon oft sicher gefühlt und doch geirrt.

KAPITEL 7
    Weddemeister Wagner sah den beiden Dragonern nach, die im leichten Trab den Wall hinaufritten, und fühlte sich klein und dick. Er war klein und dick, das mochte in seinem Beruf hin und wieder von Nachteil sein, betrüblich fand er es jedoch nur in Momenten wie diesem, wenn er junge Männer vorbeireiten sah, schlank, geschmeidig, gar in einer eleganten Uniform. Gewöhnlich fügte er sich in sein Schicksal, weil er fand, es sei nicht das schlechteste, und seit er Karla liebte und sie ihn, war er restlos versöhnt. Nur manchmal wünschte er sich doch zumindest ein Pferd. Es musste angenehm sein, geradezu erhebend, vom Sattel eines so langbeinigen Tieres aus auf die Welt hinunterzusehen. Außerdem fraßen die langen Wege durch die Stadt viel zu viel seiner Zeit. Dummerweise stand einem Weddemeister kein Pferd zu, es sei denn, er kaufte und ernährte es selbst, was bei seinem Gehalt unmöglich war. Der Polizeimeister von Altona hatte sogar zwei Pferde, wunderschöne, schnelle Tiere. Aber für Proovt waren die Einkünfte aus seinem Amt nur ein Nadelgeld, die Kosten für seine Pferde und seidenen Hemden bestritt er aus den Einnahmen der Familiengüter. Proovt hatte das Amt nur übernommen, weil es ihm seltsamerweise Spaß machte. Wagner mochte ihn trotzdem.
    Die Dragoner verschwanden hinter den Ulmen, und er setzte seinen Weg fort. Letztlich würde ein Pferd einzig seinen Hang zur Bequemlichkeit fördern. Zudem brauchte er sich nur umzusehen: Die Reiter kamen in den engen, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von Menschen,Fuhrwerken, Kutschen und Karren vollen Straßen kaum schneller vorwärts als die Fußgänger. Im Übrigen waren Pferde ungemein große und nicht immer berechenbare Tiere, zu mächtig und eigensinnig für einen kurzbeinigen Mann, der noch nie auf einem gesessen hatte.
    Bei der Apotheke am Großneumarkt fragte er sich, wie spät es sein mochte – im Lärm der Stadt hatte er die Schlagwerke der Kirchtürme überhört. Der Stadtkommandant erwartete ihn akkurat um drei Uhr. Schlag

Weitere Kostenlose Bücher