Der Tote im Eiskeller
beladene Wagen quer durch die engen, stets belebten Straßen der Stadt rollen, ohne dass ihre gefährliche Ladung deklariert wurde.»
«Was einzig Euren Soldaten anzukreiden ist, die bei den Toren Wache stehen und die Wagen nicht vorschriftsmäßig prüfen.»
Diesen leider völlig berechtigten Vorwurf beantwortete Breinhardt nur mit einem in diesem Fall ziemlich grimmigen Blick.
«Er hat sich mit der Lagerung des Pulvers beschäftigt», fuhr er knapp fort, «umso mehr werden ihn diese Diebstähle beunruhigt haben. Auch wenn ich nichts davon weiß – er war kein Mann, der vage Verdächtigungen ausstreut –, ist es tatsächlich möglich, dass er diese Halunken beobachtet hat, zufällig, und dass sie ihn entdeckt und in das verdammte Eisloch gesperrt haben. Dann aber», er wandte den Blick wieder Wagner zu, «dann müssen es viele gewesen sein, Malthus war ein tüchtiger Faustkämpfer und nicht leicht zu besiegen. Hatte er Blessuren, die auf einen Kampf hinweisen?»
«Nein. Keine. Nur eine Schramme vom Sturz auf die Eisblöcke.» Nun begann Wagner doch zu schwitzen. Wahrscheinlichwar es dumm, die nächste Frage ausgerechnet hier zu stellen. «Es gibt eine andere», er hüstelte in sein großes blaues Tuch, wischte sich rasch über die Stirn, «ja, eine andere Eventualität. Ihr spracht von Mademoiselle Lehnert, sie stammt nicht nur aus einem achtbaren, sondern auch aus einem reichen Haus. Oberleutnant Malthus hingegen hatte bis auf ein sehr geringes Erbe nur seinen Sold. Denkt Ihr … wie soll ich es sagen?»
Breinhardts Blick, gerade noch in der Nachdenklichkeit milder geworden, versteinerte. «Das werdet Ihr nicht wagen, Weddemeister. Ihr werdet nicht wagen, einem meiner Offiziere zu unterstellen, er sei in irgendeiner Weise mit Dieben verbunden gewesen. Mit Munitionsdieben, als Verräter und Saboteur. Stellt diese Frage nicht. Sie ist so sinnlos wie dreist.»
Wagner hatte mit einer kalten Reaktion gerechnet, eine so heftige überraschte ihn. Auch fand er es bemerkenswert, dass der Major seine Gedanken sofort erraten hatte. Wenn diese Überlegung wirklich nichts als eine haltlose Unterstellung war, war das erstaunlich. Eine Überlegung, mehr war es nicht gewesen. Bis jetzt.
Wagner stand auf. Was immer er noch fragte, es konnte keine erhellende Antwort hervorbringen. Er würde anderswo tiefer in diesem Wespennest stochern.
Als sei der Weddemeister ein Delinquent, hielt Breinhardt ihn mit einer harschen Handbewegung zurück.
«Ihr werdet mich nun entschuldigen», sagte er mit einer Stimme, die selbst den Sonnengott hätte frieren lassen, öffnete die Tür und winkte einen jungen Offizier herein. «Fähnrich Börne wird Euch hinausbegleiten.» Dann drehte er sich mit einer knappen Verbeugung auf dem Absatz um und verschwand durch eine schmale Tür, die Wagner bisher nicht bemerkt hatte.
Während er dem Fähnrich durch den Flur und die Wachstube folgte, glaubte er tausend feindliche Augen im Nacken zu spüren. Was Unsinn war, kaum einer der Soldaten beachtete ihn mit mehr als einem flüchtigen Blick. Nur die beiden obdachlosen Bettler, die, jeder einen schmutzstarrenden Beutel mit seiner armseligen Habe auf den Knien, auf einer Bank hockten, sahen ihm länger nach. Einer rief seinen Namen, es klang wie ein Hilferuf. Wagner zog den Kopf ein und beeilte sich, die Wache zu verlassen.
Börne hatte keine Eile, den Weddemeister loszuwerden. «Ihr wollt also den Kerl fassen, der Malthus ermordet hat?», fragte er, als sie unter dem Vordach standen. «Was habt Ihr nur gesagt, unseren Major so in Rage zu bringen? Gewöhnlich ist er die Contenance in Person»
Wagner zuckte mit den Achseln und machte dumme Augen. «In Rage? War er das? Ich habe nur nach Oberleutnant Malthus’ privatem Leben gefragt, ja, und nach den Munitionsdiebstählen. Das auch. Und ob er womöglich Geld brauchte. Finanzielle Mittel, sozusagen. So kurz vor seiner Eheschließung …»
Börne grinste über sein ganzes rosiges Kindergesicht, seine blauen Augen blitzten in einem Kranz von Lachfältchen. «Mir scheint, Ihr wollt mich vorführen», sagte er. «Gebt Euch keine Mühe. Ich habe genug von Euch reden gehört, um zu wissen, dass Ihr nicht so dumm seid, wie Ihr vorgebt. Das musste den Major in Rage bringen. Aber Ihr marschiert auf dem Holzweg. Geld brauchen wir alle, der Sold gibt gerade genug zu einem bescheidenen Leben. Wer keine anderen Mittel hat, trägt seinen Rock lange, bevor er sich einen neuen erlauben kann. Die Sicherheit
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