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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Vermutungen. Im Drogenhandel stecken eben diese riesigen Gewinne, und die ziehen die O.K. ins Land. In den USA zu Zeiten der Prohibition setzte sich dort die Mafia fest. Für immer. Demokratien sind zu unbeweglich, zu unflexibel …«
    Wedel runzelte die Stirn. Er konnte diese naseweise Tour junger Leute auf den Tod nicht vertragen. Sie waren vollgestopft mit Theorie und dachten, jetzt wüßten sie Bescheid. Er war ein Praktiker, klar. Von reiner Theorie hielt er gar nichts. Sensibel mußte man sein, auf Zwischentöne achten, hineinhorchen in einen Fall. Nicht zu selbstsicher sein. Klar, sie waren jung. Kriegten schon als Kinder zuviel mit, durch das Fernsehen. Es gab kein Bildungsprivileg der Erwachsenen mehr. Wissen war allen gleichmäßig zugänglich. Wie im Mittelalter, als zwischen Kindern und Erwachsenen kein Unterschied gemacht wurde und böse Steppkes sogar hingerichtet worden waren.
    Mady dozierte denn auch prompt weiter: »Die meisten Morphinbasen für unseren Raum wurden ja bisher in Sizilien aufbereitet. Ich hab' gelesen, daß für tausend Gramm schneeweißes Heroin, Spitzenqualität, zehntausend Gramm Opium gebraucht werden.«
    »Ja, und ein Kilo Essigsäureanhydrit, je feiner das Zeug, desto besser auch das Heroin. Da liegt der Hase im Pfeffer. Die Russen mischen mit. Riesige Mohnplantagen um Tschernobyl liefern reichlich Grundstoff für die Heroinaufbereitung. Der afghanische Markt ist im Eimer. Rußland ist durch die neue wirtschaftliche Struktur nicht nur Ziel für den Absatz, sondern auch als Durchgangsland interessant. Sechs Tage dauert auf diesem Wege ein Rauschgifttransport vom Goldenen Halbmond bis zum Süchtigen. Früher wurde verschifft oder der riskante Landweg über Iran und Türkei genommen. Die geringen Mengen, die in Flugzeugen geschmuggelt werden, sind eher Kleinkram für die großen Organisationen.«
    Madys Miene drückte eine gewisse Anerkennung aus. Ja, dachte sie denn im Ernst, sie könnte einen alten, gewieften Hasen mit ihren paar angelesenen Wissensbrocken beeindrucken?
    »Und jetzt wird Essigsäureanhydrit also auch aus den ehemaligen asiatischen Sowjetrepubliken bezogen«, sagte sie.
    »Genau. Allerdings ist es nicht erstklassig, dafür aber billiger als das bisher gebräuchliche.«
    »Aber in welcher Funktion war der Ermordete wohl in Berlin?«
    »Gute Frage. Das Netz ist jedenfalls außerordentlich kompliziert. Er könnte einen Alleingang versucht haben. Oder dieses Paar Hugendübel hat auf eigene Faust gearbeitet mit den begehrten Artikeln. Das macht man hier aber nicht lange. Wahrscheinlich begucken die beiden schon in irgendeiner Kiesgrube die Radieschen von unten oder laufen mit Betonstiefeln im Schlachtensee spazieren.«
    »Vielleicht wollte der Russe eine Lieferung bezahlen. Die Hugendübels haben ihn umgelegt und sind mit dem Geld abgerauscht.«
    »Wenn es überhaupt ein Russe war.«
    Daß junge Leute immer glaubten, sie könnten Welträtsel im Nullkommanichts lösen!
    »Nee, daß nur die Sachen der Frau im Raum waren und seine ratzekahl ausgeräumt, das bedeutet was. Aber was? Ach Gottchen, ich hätte Sparkassendirektor werden sollen wie mein Bruder. Da geht's ordentlich um Soll und Haben. Wir hier sollen immer, aber haben tun wir nichts.«
    »Sie hätten Kabarettist werden sollen, Herr Wedel, die Pointe war doch schon bühnenreif.«
    »Ach, Mädchen. Wenn ich pensioniert bin, zieh' ich nach Mallorca.«
    »Soweit ist es ja noch lange nicht.«
    »Wahrscheinlich werde ich vorher schon den Löffel abgeben. Herzinfarkt.«
    »Sie sind doch topfit.«
    »Ich empfange schlechte Schwingungen. Sagt ihr Jungen nicht so, Lady Mady?«
    »Längst überholt.«
    Sie grinste. Nicht unhübsch, in der Tat. Meinte sie es doppeldeutig? War das auf ihn gemünzt? Ein Segen, daß Monica noch alte Schule war.

7. Kapitel
    Moritz Mach betrat eine kleine Wohnung und stellte sofort den Player an. Er schob Phil Collins ein, eine sanfte Melodie mit einer traurigen Story über die Ausgestoßenen der Erde, vorgetragen im typischen Collins-Sound, ein Stück klang wie das andere, ob Phil nun die Leiden der Wohlstandskids oder die Nachtseiten im Leben von Underdogs beklagte mit seiner soften, etwas negroid angehauchten Stimme.
    Moritz wußte von den TV-Videos, daß Phil auch mimisch überhaupt nicht variabel war. Er sah sich immer ganz und gar gleich, einfach und sogar ein bißchen simpel. Und gerade das war ja so wundervoll. Man wußte, woran man war. Stetigkeit, Zuverlässigkeit, Gefühl ohne

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