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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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teuer.
    Der Scheich – und es konnte überhaupt kein Zweifel daran bestehen, daß er der Chef war, das signalisierten sein selbstbewußtes Auftreten und, mehr noch, das devote Verhalten der anderen – war klein und zierlich und glattrasiert, mit einem blauschwarzen Schimmer um Kinn und Oberlippe. Er trug einen dunklen Anzug und einen hellen Cashmeremantel.
    Zum Schluß huschten die tief verschleierten Damen herein und traten sofort in den Fahrstuhl, dessen Tür ihnen eine dicke, unverschleierte Negerin aufhielt.
    Besonderes Aufsehen erregte die Dienerschaft. Je zwei Mann schleppten Truhen aus Metall durch die Halle. Was mochte drin sein? Lucie, die niemals zugegeben hätte, daß sie den Einzug der fremden Gäste mit hohem Interesse verfolgte, konnte es sich nicht verkneifen zu flüstern: »Da haben sie bestimmt Gold und Juwelen drin.«
    Dann kehrte Ruhe ein. Das Personal verkrümelte sich wieder, die Gäste raschelten mit den Zeitungen oder verließen gleichfalls die Halle. Richard schaute seine Zeitung durch. Kein Wort über den Toten im Hotel, keine Zeichnung von Britta oder von ihm. Es war Gras über die Sache gewachsen, wie er es sich erhofft hatte.
    Lucie und Richard gingen früh zum Abendessen in den Speisesaal hinunter, weil sie befürchteten, die Aufmerksamkeit des Personals könne sich allzusehr auf die Gäste aus dem Morgenland konzentrieren. Auf diese Weise bekamen sie ein Schauspiel von Macht und der Gefahr in ihrem Fahrwasser zu sehen.
    Einer der beiden ›Cowboys‹, im Straßenanzug, aber immer noch mit Hut, schlüpfte in die Küche und blieb eine Zeitlang dort, während andere Gestalten die Tafel überprüften, unter die Tische schauten, die weißen Tafeltücher anhoben und auch die Teller leicht lüpften.
    Der Cowboy erschien wieder aus der Küche und nahm mit Blick zur Eingangstür Haltung an. Lucie vermutete, er brütete Spatzen unter seinem Hut aus. Richard tippte auf Papageien.
    Es erklang zwar kein Tusch, doch schwappte förmlich eine Welle von Bedeutung und Macht in den Eßsaal, als der Scheich mit seinem engsten Gefolge hereinrauschte und an der Tafel, in der Mitte mit Blick in den Raum, Platz nahm. Die anderen Männer verteilten sich, offenbar nach strengen Regeln. Sie waren immer noch sehr unterschiedlich gewandet.
    Der merkwürdige Cowboy behielt auch jetzt seinen Hut auf. Er bezog Posten neben dem großen Boß, und als die ersten Schüsseln hereingetragen wurden, war auch seine spezielle Funktion klar. Er kostete zuerst von allen Speisen für den Scheich. Dieser begann erst nach einer Weile zu essen.
    Der Vorkoster, der wahrscheinlich auch schon in der Küche die Lebensmittel auf tödliche Beimischungen hin überprüft hatte, setzte sich neben den Scheich, erhob sich aber bei jedem neuen Gang zum Vorkosten. Es war also offenbar, daß der Scheich damit rechnen mußte, vergiftet zu werden.
    Richard zog einen merkwürdigen Trost aus diesem Anschauungsunterricht. So ein stinkreicher, mächtiger Mann mußte ständig um sein Leben fürchten, während ihn selbst schon ein vager, dazu völlig ungerechtfertigter Verdacht und ein läppisches Phantombild beinahe aus den Angeln hob.
    Am Tag ihrer Abreise geschah morgens noch etwas Verwirrendes. Richard und Lucie fuhren im Fahrstuhl hinunter, um nun doch noch einmal das Frühstücksbüfett zu nutzen. Sie hatten vor dem Einsteigen auf der Treppe nach oben Frauenstimmen, leises Gelächter und das Geräusch huschender Füße gehört. Als nun der Fahrstuhl auf ihrer Etage anhielt, standen darin die schwarze Dienerin und eine der Haremsdamen, ein zierliches Geschöpf, farbenprächtig gekleidet, aber unverschleiert. Sie war stark geschminkt und hatte rötlich getöntes Haar.
    Als sie die Fremden gewahrte, drehte sie sich sofort zur Fahrstuhlwand und zog den Schleier hoch. Aber Richard hatte eine Sekunde lang geglaubt, es sei Britta. Obwohl er seinen Irrtum sofort bemerkte, war ihm schon der Schweiß ausgebrochen, die Knie gaben fast nach, die Erholung dieses Wochenendes war dahin. Er wußte plötzlich mit absoluter Sicherheit, daß der Schrecken seines folgenreichen Abenteuers noch nicht ausgestanden war.
    »Ist etwas, Richard?!«
    »Nein, nein. Etwas schwül, nicht wahr?«
    Die Damen verließen den Lift im Erdgeschoß, wie Lucie und Richard ebenfalls. Einer der Kindermänner hielt die Haustür auf. Sie begaben sich sofort zu einer der Staatskarossen, die bereits vorgefahren war.
    »Du bist ganz blaß, Richard«, bemerkte Lucie.
    »Diese orientalischen

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