Der Tote im Grandhotel
Düfte hauen kühle Mitteleuropäer eben einfach um, findest du nicht?«
»Ich habe gar nichts bemerkt. Aber meine Nase ist ja auch nicht sehr empfindlich.«
Als sie etwas später bei ihrer Abreise die Halle durchquerten, hatte sich dort wieder das gesamte Hotelpersonal aufgebaut. Diener des Scheichs schleppten gerade die Metalltruhen nach draußen. Die Angestellten bildeten ein diskretes Spalier. Ein Hotelgast sagte ziemlich laut: »Solche Scheichs sollen zum Abschied Uhren und Gold verteilen.« Offenbar wurde das auch erwartet.
Von den Hornungs nahm jedenfalls niemand Notiz bei ihrer Abreise.
»Scheich müßte man sein«, scherzte Lucie.
»Den Vorkoster mit dem Cowboyhut würde ich entlassen.«
»Vielleicht ist der ein Neffe?«
»Dann würde ich ihn in den Kerker werfen lassen.«
»Richard, du auch gerade! Du bist doch ein ganz sanfter Heinrich.«
»Da bin ich nicht so sicher«, erwiderte er wahrheitsgemäß.
6. Kapitel
Wedel hatte seinen Wecker auf sieben gestellt. Letzte Nacht war es spät geworden. Seine Monica hatte Geburtstag. Auf ihren Wunsch hin waren sie in die Philharmonie gegangen. Monica liebte Konzerte. Er war stolz darauf, daß seine Frau solche musischen Neigungen hatte.
Claudio Abbado dirigierte Mussorgskijs ›Boris Godunow‹. Russische Sänger, drei Chöre, riesige Leidenschaft, alles echt rrrussisch, obwohl der Abbado ja wohl Italiener war. Sie gaben wirklich alles.
Wedel hätte niemals eingestanden, daß ihn die romantische Geschichte von Schuld und Sühne am Zarenhof ergriff und daß die Musik des Prologs ihm wieder diese peinlichen Tränen in die Augen trieb, die sich auch in der Kirche nicht bremsen ließen, wenn Weihnachten das Orgelspiel einsetzte.
Er sagte nachher zu Monica, das sei ja zum Glück eine richtige Story gewesen, unter der sogar ein nüchterner Kriminalmensch sich etwas vorstellen könne. Ja, beinahe sein Metier. Mord und Totschlag, Verdächtige, Intriganten und Täter. Wie im wirklichen Leben. Er habe da gerade so einen Fall …
Danach hatte er Monica ins ›Pergola‹ geführt, wo Italiener so taten, als hätten sie ein Luxusrestaurant mit vier Michelin-Sternen. Allein der Grappa, den er und Monica zum Schluß zur Feier des Tages getrunken hatten, angewärmt und mit silbernen Deckelchen als Kostbarkeit serviert, hatte fünfundvierzig Mark gekostet. Pro Stück!
Aber Monica war glücklich gewesen und auch nicht böse, daß er hinterher zu müde war für die Liebe. Wenn, dann sollte es auch rauschen im Karton. Bloß keine matten Sachen, keine Pflichtübungen, da waren sie sich einig … zum Glück.
Er hatte zu Hause noch zwei Schlummerbierchen genossen und einen Cognac als späten Absacker geschlürft, und jetzt war die Bescherung da. Das typische, pelzige Gefühl im Mund, die eklige, tapsige Gliederschwere. Dazu kam das Bewußtsein, daß es gestern eigentlich zu teuer gewesen war. Schließlich war man nicht Herr Esso persönlich.
Gut, sie verdienten beide und hatten keine Kinder, waren also DINKS, double income, no kids, es hatte nicht funktioniert mit dem Nachwuchs, sie hatten beide viel mitgemacht, bevor sie kapituliert hatten, und irgendeinen kleinen Exoten zu adoptieren, das paßte ihnen auch nicht, die wurden hier nicht wirklich glücklich, und darauf kam es schließlich an.
Monica schlief noch. Sie hatte erst ab Mittag Dienst. Bernd Wedel machte sich leise zurecht, aß sein Müsli und ging die zehn Minuten zur U-Bahn. Punkt acht saß er hinter seinem Schreibtisch. Sie hatten ihn vor drei Monaten befördert und in ein feineres Büro versetzt, so etwas wie ein Aufstieg. Seine Wohnung lag verkehrsgünstig zum Büro, das war die Hauptsache bei den vielen Staus auf den Straßen.
Wedel nahm sich noch einmal die Notizen zum Fall ›Toter im Hotel‹ vor. Aus den Tips, die zu den Phantombildern eingegangen waren, hatte sich bisher nichts Brauchbares ergeben. Aber es gab etwas und, daraus resultierend, eine Theorie, total wacklig, und doch geradezu faszinierend. Eine Spur! Ein handfester Fund!
Natürlich hatten sie alles gecheckt, was die Hugendübels im Hotelzimmer zurückgelassen hatten. Auffällig war, daß es ausschließlich Sachen der Frau waren. Nicht einmal ein Rasierapparat. Eine einsame Zahnbürste. Der Kerl hatte sich in Luft aufgelöst. Merkwürdig.
Die Sensation aber steckte in der Reisetasche, nachempfundenes Vuitton, einfach im Seitenfach. Der Reißverschluß war nicht einmal zugezogen.
Harmlos auf den ersten Blick: Kinderspielzeug. Ein
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