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Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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das Bett und gingen. Britta wunderte sich nicht, daß man das Todesurteil nicht gleich vollstreckte. Dafür gab es bestimmt Spielregeln.
    Es war vorbei. Sie wünschte, ohnmächtig zu werden, doch statt dessen überkam sie ein Zustand äußerster Klarheit. Wenn ich dies hier überleben sollte, werde ich weise und ewig dankbar sein. Doch ich werde es nicht überleben.
    Die Tür wurde erneut geöffnet. Tatjana trat ein, nun korrekt in ein braunes Kostüm und Stiefel mit flachen Absätzen gekleidet. Bei ihrem Anblick verkrampften sich Brittas Muskeln. Ihr Magen wurde zu einem harten Knoten. Keiner der Männer flößte ihr soviel Angst ein wie diese Frau.
    Männer waren Britta immer entflammbar und über Sex zu packen erschienen. Diese Einstellung hatte sich im Grunde auch nicht verändert. Eigentlich glaubte sie immer noch, sie könne die Kerle mit ihren sehnsuchtsvollen Schwänzen manipulieren.
    Aber daß eine Frau solche Grausamkeiten an einer Geschlechtsgenossin verüben konnte, das war unheimlich und schrecklich. An Brittas Angst änderte auch der etwas lächerliche Anblick nichts, den Tatjana bot. Sie trug in der rechten Hand einen Nachttopf am Henkel, einen klassischen, weißen Nachttopf mit einem Blümchenmuster am oberen Rand.
    Sie stellte ihn neben Brittas Bett auf den Boden, richtete dann erst den Blick auf ihr Opfer und sagte mit unverkennbar sächsischem Tonfall:
    »Wennde mal Bibi musst. Die Männer denken doch an gar nix.«
    Britta war höchst überrascht.
    »Sie sind Deutsche?!«
    »Ja. Wieso?«
    »Ich dachte … also, Sie sprechen fließend Russisch … und … na ja …«
    »Mein Verlobter ist Russe. War in Wünsdorf stationiert.«
    Britta fragte nicht nach. Nur das Weib nicht reizen. War Wünsdorf nicht der große russische Truppenübungsplatz in der DDR gewesen?
    »Vielen Dank«, hauchte sie.
    Tatjana nickte.
    »Nix für ungut«, murmelte sie. »Ich mach' hier meine Arbeit. Mach' ich's nicht, macht's jemand anders. Und ich passe jedenfalls auf, daß alles wieder heilt. Auch das gleene Loch in der Brust … Klar? Ich bin Fachfrau. Viele bezahlen dafür, daß ich es ihnen tüchtig gebe.«
    Britta nickte und wagte zu fragen: »Werden Sie … ich meine … komm' ich noch einmal dran?«
    Tatjana zuckte mit den Schultern.
    »War nicht klug, hier heimlich ne Flieche zu machen.«
    »Ich weiß.«
    Nein, diese Tatjana würde sich nicht rühren lassen. Jetzt überprüfte sie Brittas Ketten.
    »Lang genug«, befand sie mit einem Seitenblick zum Nachttopf und verschwand.
    Eine Sächsin! Eine sächsische Domina! Vielleicht hieß sie gar nicht Tatjana. Elfriede vielleicht oder Silvia. Aber zu DDR-Zeiten waren wohl viele Kinder mit russisch klingenden Namen benannt worden.
    Jedenfalls war ich nicht ihr erstes Opfer.
    Die hat Routine. Macht es gewerbsmäßig. Ob der Alte und sein teuflischer Neffe das Sadistentheater nur für sich inszenieren? Oder ob sie die Disketten wirklich verscheuern?
    Wieder fielen Britta Geschichten von Videos ein, auf denen gezeigt wurde, wie eine Frau wirklich zu Tode gequält wurde. Es sollte Liebhaber geben, die höchste Preise für authentische Streifen zeigten. Zum Beweis, daß das Opfer wirklich tot war, wurde hinterher noch eine kleine Obduktion vorgenommen. Das hatte sie gelesen. Wo nur? In einer Zeitschrift? Oder lediglich in einem Krimi? Britta schielte mehrmals zu dem Nachttopf hin. Schließlich rappelte sie sich unter Schmerzen auf, kroch aus dem Bett und weihte ihn ein. Wenn schon, denn schon.

9. Kapitel
    Es war ein kalter Abend. Im Park war es schon vorbei mit der Blütenpracht. Die Krähen aus Polen und Rußland, für die Berlin und seine Umgebung eine Sommerfrische in ihrem Winter darstellte, versammelten sich für die Nacht unter apokalyptischem Gekrächze in einzelnen Bäumen, die unter ihrer Last zu wanken schienen und wirkten wie mit großen, schwarzen Früchten überladen.
    Bernd Wedel empfand das triste Ambiente als durchaus passend zu seiner Stimmung. Der Fall ›Mord im Hotel‹ drückte auf Gemüt und Magen. Es ging nicht voran. Die Leute im Hotel waren entweder doof, oder sie schwiegen aus Angst. Herrgott, es mußte doch möglich sein, die beiden Gäste aus dem Mordzimmer im Grandhotel aufzuspüren. Sie hatten sich doch nicht in Luft aufgelöst!
    Der Zimmermann wollte den Fall im Fernsehen vorstellen. In seiner Sendung Aktenzeichen XY ungelöst, die vielleicht ein bißchen bieder, aber jedenfalls recht erfolgreich war. Hunderttausend Laien als Detektive,

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