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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Rosmarin und Thymian der Pizza. Britta kannte den
    Duft nicht, aber er erinnerte sie an glückliche Einkaufsbummel, 45
    an Bloomingdale's, an die Welt der teuren Läden und gepflegten
    Männer, die für sie schon unwirklich geworden war in diesem Reich zwischen Leben und Tod. Er brachte sie beinahe um ihre Fassung.
    »Vlado«, sagte die Panoptikumsfigur und umarmte den Engel, der
    sich zu ihm hinunterbeugte und zwei schmatzende Küsse links und rechts auf die Wangen in Empfang nahm.
    Der Chef sah zu ihr hin, dann sprachen sie miteinander. Britta
    versuchte, aus Blicken und Mimik der beiden Männer Aufschluß
    zu gewinnen. Der Chef sah noch mehrmals zu ihr hin, dann erklär-te er in gebrochenem Deutsch:
    »Sie weiß nicht. Gutes Frau. Ich nehme mit.«
    Wie konnte er wissen, was sie wußte? Vielleicht hatten sie hier eine Abhöranlage, und der Chef saß gemütlich oben im Sessel oder lag auf der Couch und hörte sich wie ein Hörspiel an, was seine Typen hier aus den Opfern herausfolterten.
    Der schöne Vlado erwiderte etwas. Er schüttelte den Kopf. Der
    Alte entgegnete kurz und heftig. Dann brüllte Vlado einen kurzen Befehl.
    Der Magere flitzte nach draußen und kehrte gleich darauf mit
    einem langen, schwarzen Cashmeremantel und einem schwarzen,
    lackglänzenden Herren-Ledermantel zurück. Bruno half dem Alten
    in den Cashmere, der ließ sich den Ledernen reichen und hielt ihn Britta hin. Sie schlüpfte hinein, gab sich mühe, dabei beweglich zu wirken, obwohl ihr jedes einzelne Glied weh tat, nicht zu reden von der Wunde, die ihr der schreckliche Vlado beigebracht hatte. Nur das alte Scheusal nicht verärgern!
    Immerhin schien er ihre einzige Chance zu sein, falls ihn nicht reiner Zynismus leitete.
    Sie wurde durch den Laden geführt. Der fischige Geruch schlug
    ihr dick entgegen. Ihr wurde übel. Gleichzeitig aber meldete sich ein wütender Hunger beim Anblick der Kaviardosen und einer Kiste mit auf Eis gelagerten Muscheln, die wie für ein malerisches Stillle-46
    ben vorbereitet wirkten. Schließlich hatte sie seit einer kleinen Ewigkeit weder etwas gegessen noch getrunken.
    Der Magere öffnete die Tür ein wenig, spähte nach draußen in
    beide Richtungen und riß sie dann diensteifrig weit auf.
    Britta trat ins Freie. Es regnete leicht. Die frische Luft, wie rein-gewaschen, füllte ihre Lungen und wirkte wie ein Schock. Als sie strauchelte, ergriff der Alte energisch ihren Arm. Flüchtig sah sie einen kleinen Kombi-Lieferwagen mit der Aufschrift ›Seafood Murmansk‹, rote Buchstaben auf blau-weiß gestreiftem Grund.
    Ihr monströser Begleiter dirigierte sie zu einem schwarzen Mercedes in Überlänge. Er führte sie am Ellenbogen, und für harmlose Beobachter sah es wahrscheinlich so aus, als ließe sich ein schütterer Opa von seiner Enkelin stützten. Aber Britta spürte die Krallen-hand, sehr fest und kräftig, und sie verbannte den Gedanken an
    Flucht, der blitzartig aufgetaucht war. Hier gab es kein Entkommen.
    Der Alte schob sie in den Fond des Wagens und ließ sie zur an-
    deren Seite durchrutschen. Drinnen duftete es nach Leder und
    Zigaretten und Herrenparfüm, und sie dachte beinahe belustigt,
    daß es gleich nicht mehr so gut riechen würde. Am Steuer saß der Mann, der sie – ihr schien: vor langer, langer Zeit, in einem anderen, noch vergleichsweise glücklichen Leben – hergefahren hatte.
    Aber vielleicht ähnelten diese dienstbaren Ganoven einander für ihre Augen auch nur wie ein Chinese dem anderen.
    Von dem schönen Neffen, der also Vlado hieß, konnte man das
    allerdings nicht sagen. Er sah beinahe unwirklich aus, wie das Kli-schee eines schönen Mannes. Und der Onkel war ebenfalls einma-
    lig, eben unbeschreiblich häßlich, bis auf die Augen. Ja, die Augen waren überraschend in dem verwüsteten Gesicht, wie eine Rose auf dem Müll.
    Als sie bei Rot an einer Ampelkreuzung halten mußten, stoppte
    genau neben dem Mercedes ein Polizeifahrzeug. Der junge Polizist 47
    am Steuer hörte offenbar Popmusik, denn er klopfte rhythmisch
    mit einer Hand aufs Steuer und zuckte mit Kopf und Schultern,
    dazu hatte er ein kleines Lächeln aufgesetzt, den Mund leicht geöffnet. Vielleicht schwelgte er in netten Erinnerungen.
    Britta beschwor ihn in Gedanken. Schau her zu mir, du mußt
    sehen, was sie hier mit mir machen. Sie versuchte, all ihre Kraft auf diesen Wunsch zu konzentrieren. Es gab doch so etwas wie Gedankenübertragung. Jetzt mußte es funktionieren. Sie würde ihm ein winziges Zeichen

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