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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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nicht so schrecklich gewesen wäre, hätte Britta es komisch gefunden.
    Der Magere setzte das Tablett auf dem Stuhlsitz ab und ging wieder.
    Britta lehnte sich an den Tisch und stützte sich auf dessen Platte ab.
    »Gleich gibt's Hamham, Matka«, sagte der gestürzte Engel. Er öffnete den oberen Knopf ihres Jacketts. Natürlich trug sie nichts darunter. Es war der Inbegriff des Sexyseins, unter scheinbar strengen Sachen gar nichts anzuhaben. Im Sommer: Leinenkleid, halterlose Strümpfe. Kein Slip. Herbst und Winter: klassischer Hosenanzug, kein Büstenhalter, kein Slip. Es genügte schon, wenn man es selber wußte. Es strahlte Verführung aus, die Männer rochen es förmlich.
    Natürlich nicht in einem Moment wie diesem – dem schreck-
    lichsten bisher in Brittas Leben. Ihr Peiniger hatte sich eine Zigarette angezündet. Er tat zwei tiefe Züge und hielt ihr die Zigarette dann hin, wobei er fragte:
    »Was solltest du mit dem Päckchen von Boris machen?«
    Bloß nichts von der afrikanischen Botschaft sagen.
    »Ich sollte es einem Mann übergeben, der sich am Telefon mel-
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    den würde. Wie der Boris.«
    »Was sollte er sagen?«
    »Hier ist Nick.«
    Ach du Schreck, ihr war nicht so schnell etwas Besseres eingefallen. Sie streckte die Hand nach der Zigarette aus. Aber er zielte auf ihren Busen und drückte die Glut auf den Ansatz der linken Brust.
    Der Schmerz war ungeheuerlich, alles Leben strömte an diesem
    Punkt zusammen.
    »Das war nur eine kleine Aufmunterung, Püppi. Und jetzt sagst
    du mir, wie der Mann hieß, mit dem du im Grandhotel zusammen
    warst. Ich möchte nicht noch einmal nachhelfen, also rede.«
    Ja, der Schmerz war unbeschreiblich, aber er setzte in Britta eine Kraft frei, die sie bisher nicht gekannt hatte. Sie würde nicht ohnmächtig werden. Nicht schreien. Und Richard Hornung nicht ver-
    raten. Was löste diesen Widerstand in ihr aus? War es Trotz? Eine atavistische Kraft? Eine Anordnung in ihren Genen? Die Tränen in ihren Augen waren keine Tränen der Schwäche.
    »Er hieß wirklich Hugendübel, Paul Hugendübel. Das hat er mir
    jedenfalls gesagt. Ich heiße Britta Schirrmacher. Wir hatten uns doch erst eine Woche vorher kennengelernt.«
    »Wie und wo?«
    »An der Rezeption. Ich wollte mich gerade anmelden, da war aber vor mir eine Gruppe Japaner dran. Paul stand auch da, neben mir.
    Er fragte mich, ob wir nicht zur Überbrückung etwas trinken wollten. Wir gingen in die Bar. Dann zogen wir gemeinsam in meine
    Suite. Ich nahm ihn mit, wir gaben uns als Ehepaar aus.«
    »Du bist eine Nutte.«
    »Ich hatte mich verliebt. Er sah sehr gut aus. Nicht so gut wie Sie allerdings«, traute sie sich, ihm zu schmeicheln. Sie wußte, daß die meisten Männer Komplimente genossen, besonders die über ihr
    Aussehen.
    »Ich würde es dir besorgen, aber du stinkst, Matka. Soll ich dir 44
    glauben? Keine Ahnung. Iß erst einmal deine Pizza. Sonst wird sie kalt.«
    Beinahe hätte sie hysterisch gelacht, trotz des scharfen Schmerzes.
    Als ob es für sie wichtig wäre, ob die Pizza heiß oder kalt war.
    Die Tür wurde aufgerissen. Der Magere stürzte herein.
    »Der Chef will sie sehen. Ist gleich hier.«
    Der böse Engel dirigierte Britta hastig zu ihrem Stuhl zurück. Der Magere nahm inzwischen die Pizza hoch und stellte sie auf den
    Tisch. Der Schöne knöpfte ihr Jackett wieder zu und drückte sie auf den Sitz nieder.
    »Keinen Mucks, Matka, ich kann sehr ärgerlich werden«, flüsterte er.
    Ein kratzendes Geräusch an der Tür. Der Magere huschte hin
    und öffnete. Der Schöne nahm Haltung an, erstarrte förmlich zur Salzsäule.
    Herein schlurfte eine Jammergestalt. Der Mann war alt und
    krumm, ja, er hatte eine Rückgratverkrümmung, einen Buckel. Auf dem Kopf trug er eine weiße Baseballmütze, der Schirm schien zusammen mit seiner langen, spitzen Nase einen Schnabel zu bilden.
    Das Gesicht war zerknittert. Graue Haut. Die Augen waren erst zu sehen, als der Alte den Kopf in den Nacken legte, um Britta zu betrachten: schöne, dunkle, große Augen. Ein merkwürdiger Kontrast zu der übrigen Erscheinung.
    Der Mensch trug eine Art Pyjama, grau-weiß gestreift, mit einem Adler auf der Brusttasche. Es wirkte wie Gefängniskleidung. Die schwarzen Schuhe aber waren elegant und offenbar handgenäht.
    Britta achtete bei Männern stets auf das Schuhwerk und kannte
    sich aus.
    Zugleich mit dem Auftritt der merkwürdigen Vogelscheuche drang
    ein intensiver Duft in den Raum und übertönte ihren eigenen Ge-
    stank und

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