Der Tote im Kofferraum
Offensichtlich war Keith Wallace in der ganzen Gegend beliebt.
»Keith meinte, daß der See zum Schwimmen nicht tief genug ist, bis auf die eine Stelle, wo er sein Zeltlager aufgeschlagen hat. Die Klippen dort drüben gehören wohl schon zu seinem Land. Von dort aus müßte man eine hübsche Aussicht haben.«
Huia ging nur kurz darauf ein. »Schlechter Platz. Sie fallen, tot sein. Viele scharfe Felsen unten. Nicht gut.«
»Der Garten hier ist im Frühling sicherlich zauberhaft, jetzt sieht alles noch so kahl aus. Bedauerlicherweise ist der Pohutukawa-Baum gefällt worden. Er war wohl sehr groß und störte die Aussicht.«
Huia blickte finster. »Sehr schlecht, Maori tapu -Baum fällen. Eru das Boss sagen. Boss antworten, ihm egal sein, er wollen Baum abschneiden lassen, sein Baum sein.«
»Also mußte Eru ihn fällen. Wie schändlich.«
»Eru nicht Baum schneiden. Er sagen, Maori nie tapu -Baum schneiden. Wenn er Baum fällen müssen, dann Eru und Huia für immer weggehen, für immer«, erwiderte Huia leidenschaftlich und gestikulierte wild. »Missus sagen, Huia und Eru nicht sollen weggehen, ihre Freunde sein. Boss sehr böse. Missus ruhig sprechen, aber nicht nachgeben. Deshalb Boss von Dorf einen Pakeha holen, er dann Baum fällen. Sehr schlimm, sehr schlimm, und nun...«
Und nun hatte der zornige Herr seine verdiente Strafe, meinte Delia in Huias altem, weisem Gesicht lesen zu können.
Dann dachte Delia: Niemand schien ihn gemocht zu haben. Niemand sagte ihm irgend etwas Gutes nach. Sogar Dr. Shaw lenkte ab, als ich mich nach Mr. Warwick-Smith erkundigt habe. Und seine Frau — nun, an gebrochenem Herzen scheint sie wirklich nicht zu leiden. Sie war erschreckt und schockiert, aber irgend etwas anderes schien auch noch da zu sein — nicht direkt Erleichterung, nein, das wäre töricht zu behaupten. Aber eine leichte Entspannung war ihr anzumerken, die darauf hinzudeuten schien, daß sie nach einer gewissen Zeit sogar wieder glücklich sein würde.
Während Delia gerade zu diesem Schluß kam, öffnete sich die Tür, und der Sergeant trat heraus auf die Veranda.
»Ich werde jetzt Mr. Warwick-Smiths Arbeitszimmer versiegeln«, sagte er zu Huia, »bis wir seine Papiere untersuchen können. Mrs. Warwick-Smith ist eine sehr tapfere Frau. Sie möchte jetzt noch eine kleine Weile allein bleiben und dann mit Miss Hunt sprechen. Sie sagte mir, Huia, daß Sie und Ihr Mann sich um sie kümmern werden, und ich weiß, daß sie bei Ihnen in guten Händen ist.«
Huia stimmte ihm würdevoll, wenn auch etwas reserviert, zu. Delia fühlte, daß Huia den Sergeanten trotz seiner herzlichen Worte nicht mochte. Sie antwortete kurzangebunden, daß er sich getrost auf sie verlassen könnte. Dann lud sie den Sergeanten zögernd zum Mittagessen ein, aber er lehnte mit der Begründung ab, daß er noch viel Arbeit hätte. Später würde er mit einem Kriminalbeamten aus der Stadt wiederkommen. Dann wandte er sich an Delia: »Ich habe im Polizeipräsidium angerufen, und man schickt sofort einen Mann vom CID. Ein Mordfall übersteigt die Kompetenz eines einfachen Landpolizisten. Ich erwarte den Kriminalbeamten am Nachmittag und nehme an, daß er sofort nach Sunset Lodge fahren will. In der Zwischenzeit muß ich mich um mein Büro kümmern.« Dann bat er Delia, bei der Polizeiwache anzurufen, falls sie Hilfe brauchte.
»Ich habe Dr. Shaw angerufen, weil er ein enger Freund der Familie ist«, fügte er noch hinzu. »Er kommt so schnell wie möglich, und Mrs. Warwick-Smith freut sich darüber. Falls sie ihren Hausarzt braucht, so finden Sie die Nummer unter Lakelands im Telefonbuch. Zögern Sie nicht, jede Hilfe in Anspruch zu nehmen.« Dann verabschiedete er sich.
Delia wollte gerade die Treppe hinaufgehen, um ihre Sachen einzuräumen, als sie von der Veranda her eilige Schritte hörte. Dann stand ein junger Mann in der Halle.
Er bot einen eigenartigen Anblick: Sein leuchtendroter Pullover paßte für das Auge eines »unkünstlerischen« Menschen überhaupt nicht zu den giftgrünen Kordsamthosen. Sein blonder Bart war vom Wind zerzaust, seine unordentliche Mähne hatte für Delias Geschmack einen Schnitt nötig, und seine Augen blickten wild.
Wütend schrie er Huia an, ohne Delia einen Blick zu gönnen: »Wo ist sie? Was soll das alles? Geht es ihr gut?«
Er wirkte so exaltiert, daß Delia fasziniert stehenblieb und zuhörte, wie Huia ihn kurz und bündig über den Mord informierte.
»Im Auto dieses Mädchens?« Erst jetzt schien
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