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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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weh getan, hatte sie sich gesagt, den Jungen jedoch damit zu trösten versucht, daß John wahrscheinlich nicht leiden mußte.
    Er hatte ihr nicht geglaubt. Warum sollte er auch?
    Ihre Hand lag immer noch auf der Türklinke. Die Augen hielt sie geschlossen.
    »Mein John«, flüsterte sie.
    Sie hatte geschwitzt. Jetzt war ihr kalt, und sie ging leise ins Wohnzimmer, um sich eine Decke zu holen. Apathisch blieb sie in der Zimmermitte stehen, in die Decke gehüllt, nicht in der Lage, etwas zu tun. Als Justus noch wach gewesen war, wurde sie gebraucht. Nun verging Minute um Minute, und John wurde immer mehr zu einem Toten. War immer weiter entfernt.
    Sie trat ans Fenster. Der Duft der Hyazinthen erstickte sie fast, und am liebsten hätte sie die Scheibe eingeschlagen, um Luft zu bekommen, frische Luft.
    Es schneite wieder. Plötzlich sah sie eine Bewegung. Ein Mann verschwand zwischen den Häusern auf der anderen Straßenseite. Es war eine sekundenschnelle Beobachtung, aber Berit war überzeugt, daß sie die Gestalt schon einmal gesehen hatte. Dunkelgrüne Kleider, eine Art Schirmmütze, das war alles. Sie starrte zu der Ecke hinunter, wo er verschwunden war, seine Spuren im Schnee konnte sie noch erkennen. Ihr kam der Gedanke, daß es vielleicht der gleiche Mann gewesen war, den sie am Abend zuvor gesehen hatte. Gestern hatte sie gedacht, es sei Harrys Bruder, der beim Schneeräumen half, aber nun wurde sie unsicher. War es vielleicht John, der sich ihr zeigte? Wollte er ihr etwas sagen?
     
    Ola Haver kam kurz vor neun nach Hause.
    »Ich habe die Nachrichten gesehen«, war das erste, was Rebecka sagte.
    Sie sah ihn über die Schulter an. Er hängte seinen Mantel auf, wobei die Müdigkeit ihn fast übermannte.
    Er ging zu Rebecka, die ihm den Rücken zuwandte und beharrlich etwas hackte.
    »Hallo«, sagte er und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren.
    Er fühlte, daß sie lächelte. Das Messer schlug rhythmisch gegen das Brett.
    »Wußtest du, daß die Frauen in Spanien vier Stunden am Tag in der Küche arbeiten, die Männer dagegen nur fünfundvierzig Minuten.«
    »Hast du mit Monika gesprochen?«
    »Nein, das habe ich in der Zeitung gelesen. Ich bin zwischen dem Staubsaugen, dem Stillen und der Wäsche dazu gekommen, einen Blick hineinzuwerfen«, sagte sie lachend.
    »Soll ich was tun?« fragte er und legte seine Arme um ihren Körper, nahm ihre Hände und zwang sie, mit dem Hacken aufzuhören.
    »Es war eine Untersuchung, die in mehreren europäischen Ländern durchgeführt worden ist«, sagte sie und befreite sich aus seinem Griff.
    »Wie hat Schweden abgeschnitten?«
    »Besser«, sagte sie kurz angebunden.
    Er begriff, daß er sie in Ruhe lassen sollte, damit sie den Heringssalat, oder was es nun war, fertig machen konnte, aber es fiel ihm schwer, sich von ihrem Körper loszureißen. Er wollte sich an ihren Rücken, an ihren Po schmiegen.
    »War es schlimm?«
    »Wie immer, mit anderen Worten furchtbar, aber Bea mußte das Schlimmste übernehmen.«
    »Mit den Angehörigen reden?«
    »Und sonst? Wie war es mit den Kleinen?«
    »War er verheiratet?«
    »Ja«, sagte Haver.
    »Kinder?«
    »Ein vierzehnjähriger Junge.«
    Rebecka kippte das kleingehackte Gemüse in die Pfanne und strich mit dem Messer über das Hackbrett, um die letzten Reste hineinzuschieben. Er setzte sich und betrachtete das Messer in ihrer Hand. Der Stein in dem Ring, den er in London gekauft hatte, glänzte rubinrot.
    »Ich will was Neues ausprobieren«, sagte sie, und er begriff, daß sie das Essen meinte.
    Er stand auf, um duschen zu gehen.

8
    Um zwanzig vor vier stand Justus Jonsson auf. Er war mit einem Ruck aufgewacht und wurde von einem einzigen Gedanken aus dem Bett getrieben. Die Stimme seines Vaters hatte ihn geweckt: Junge, du weißt, was du zu tun hast.
    Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Er tappte los, öffnete vorsichtig die Zimmertür und sah, daß die Lampe im Flur an war. Er lauschte. In der Wohnung herrschte Stille. Die Tür zum Elternschlafzimmer stand einen Spaltbreit offen. Er schaute hinein und sah zu seiner Überraschung, daß das Bett leer war. Für ein paar Sekunden war er verwirrt: War sie weggegangen? Aber dann bemerkte er, daß Berits Bettdecke fehlte, und wußte Bescheid.
    Er fand seine Mutter auf der Couch, ging zu ihr, trat ganz dicht an sie heran, so daß er ihre Atemzüge hören konnte, und schlich anschließend beruhigt ins Schlafzimmer zurück. Die Schranktür quietschte leise, als er sie aufzog. Mit

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