Der Tote im Schnee
hatte.
Die Männer sahen sich um. Viro folgte der Spur ein paar Meter zurück, drehte wieder um und stellte erneut fest, daß sie hier endete.
»Wo kann er nur hin sein?«
»In die Ambulanz«, erwiderte der Hundeführer. »Er ist doch verletzt. Hier sind sogar Blutspuren.«
»Ich glaube, Fredriksson hat sofort im Krankenhaus angerufen. Wenn ich richtig gehört habe, wollte er auch einen Wagen hinschicken.«
Nilsson holte sein Handy heraus und rief Allan Fredriksson an, der noch in Gunilla Karlssons Wohnung war.
Sie saßen im Wohnzimmer. Kriminalinspektor Allan Fredriksson putzte sich die Nase. Er tat der Frau, die ihm gegenübersaß, leid. Es war bereits das fünfte Mal, daß er sein buntes Taschentuch hervorholte. Er sollte eigentlich zu Hause sein und sich auskurieren.
»Er ist Richtung Bergsbrunna gelaufen, und dort hat sich die Spur verloren«, sagte Fredriksson, nachdem er das Gespräch mit Nilsson beendet hatte.
Er konnte noch die Angst in Gunillas Augen sehen.
»Wir lassen einen Streifenwagen hier«, sagte er und steckte das Taschentuch wieder weg.
Seine gelassene Miene und ruhige Stimme brachten sie dazu, sich ein wenig zu entspannen. Das Zittern, das kurz nach Vincents Verschwinden eingesetzt hatte, hörte auf.
»Sie sagten, Sie kannten ihn?«
»Ja, er ist ein alter Schulkamerad. Er heißt Vincent, aber ich erinnere mich nicht mehr an seinen Nachnamen. Er liegt mir auf der Zunge, es ist ein deutscher Name. Ich könnte eine Freundin anrufen, sie weiß ihn bestimmt.«
»Das wäre nicht schlecht.«
»Hahn«, rief sie plötzlich aus, »so heißt er!«
»Vincent Hahn?«
Gunilla nickte. Fredriksson rief augenblicklich den diensthabenden Beamten an und leitete die Information weiter.
»Haben Sie ihn nach der Schulzeit noch getroffen?«
»Nein, ich habe ihn ein paarmal in der Stadt gesehen, das ist alles.«
»Sie gingen in die gleiche Klasse?«
»In die Parallelklasse, aber wir hatten ein paar Fächer gemeinsam.«
»Er hat Sie nicht angerufen oder auf andere Weise versucht, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen?«
»Nein.«
»Was glauben Sie, warum ist er zu Ihnen gekommen?«
»Ich habe keine Ahnung. Er ist schon immer ein wenig seltsam gewesen. Das war er schon in der Vaksalaschule. Er war oft allein. Ich glaube, daß er irgendwie religiös war. Wunderlich jedenfalls.«
Fredriksson sah zu Boden.
»Er hat gesagt, er wolle Ihre Brüste sehen?«
»Ja, dann würde er wieder gehen.«
»Haben Sie ihm das geglaubt?«
»Nein, er sah so wüst aus.«
»Es ist also nicht so, daß sie früher ein Verhältnis mit ihm hatten?«
»Niemals.«
»Sind Sie ihm vielleicht mal bei der Arbeit begegnet?«
»Ich bin Vorschullehrerin.«
»Er hat niemals Kinder in die Tagesstätte gebracht?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß er überhaupt Kinder hat.«
Fredriksson sah sie an. Bluffte sie? War der Mann ein verschmähter Liebhaber, der zurückgekehrt war? Aber warum sollte sie ihm das verschweigen? Er beschloß, ihr zu glauben.
»Es war mutig, ihn zu schlagen«, sagte er.
»Ich dachte, er würde sterben. Er hat so stark geblutet. Dabei hatte ich die Flasche in der rechten Hand. Ich bin Linkshänderin.«
»Er hat nichts gesagt, was sein Eindringen erklären könnte? Denken Sie nach.«
Nachdem sie eine Weile überlegt hatte, verneinte Gunilla.
»Da war die Sache mit dem Kaninchen. Er hat es bestimmt erdrosselt.«
Sie erzählte von Ansgar, daß er am Zaun aufgehängt und sein Bauch später aufgeschlitzt worden war und daß sie am Morgen angerufen und das ganze gemeldet hatte.
»Es paßte ihm nicht, daß Kaninchen in der Stadt gehalten werden?«
»Scheint so.«
»Und deshalb bringt er sie um«, konstatierte Fredriksson verblüfft.
Obwohl er seit vielen Jahren bei der Polizei war, wunderte er sich immer von neuem über das Verhalten der Menschen.
»Aber dann wäre es doch eigentlich besser, er würde sie freilassen«, meinte er.
»Und die Kaninchenbesitzer erwürgen«, erwiderte Gunilla.
Ryde trampelte herein. Er sagte kein Wort, starrte nur seinen Kollegen an.
»Die Küche«, sagte Fredriksson, und Ryde machte auf dem Absatz kehrt.
Fredriksson wußte, wenn Ryde so aussah, hatte es keinen Zweck, ihm mit einer Menge Informationen oder gespielter Munterkeit zu kommen.
»Es ist lustig, na ja, lustig ist vielleicht nicht das richtige Wort«, erklärte Gunilla, »aber ich habe heute ziemlich oft an die Vaksalaschule denken müssen. Dieser Mann, der kürzlich ermordet worden ist, war ja auch ein
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