Der Tote im Schnee
und machte einen Schritt in die Wohnung, seine Dienstwaffe hatte er in der linken Hand. Er schob sich weiter vor, während er vorsichtig in ein Zimmer lugte, das Fredriksson für die Küche hielt. Anschließend stand er etwa zehn Sekunden still und witterte wie ein Jagdhund.
Er sah sich um und schüttelte den Kopf.
»Ist jemand zu Hause?« wiederholte er, und Fredriksson wurde immer ungeduldiger.
»Im Schlafzimmer liegt eine Frau unter dem Bett«, sagte Göthe, der zweite uniformierte Polizist, der sich das Zimmer auf der anderen Seite des Flurs vorgenommen hatte.
Fredriksson nickte, als hätte er das bereits gewußt.
»Ich glaube, sie ist erdrosselt worden«, ergänzte Göthe.
Hinter ihm tauchte der Schlosser auf und streckte neugierig den Kopf vor.
»Verschwinden Sie«, schrie Fredriksson ihn an.
»Können wir Hahn als Verdächtigen für den Mord am kleinen John ausschließen?«
Ottossons Frage stand für Sekunden im Raum. Eine Neonröhre flackerte und unterstrich die nervöse Stimmung der versammelten Polizisten.
»Kann eigentlich keiner diese Lampe reparieren?« sagte Sammy Nilsson.
»Ich glaube nicht, daß Hahn etwas mit dem Mord am kleinen John zu tun hat«, ergriff Fredriksson das Wort. »Er hat ein anderes Täterprofil. Ihr wißt ja, wie seine Korrespondenz aussah, er ist ein frustrierter Kerl mit einem völlig verdrehten Menschenbild. Ich habe einen Brief an Uppsala-Bus gelesen, in dem er spezielle Busse für Ausländer vorschlägt, damit es den Schweden erspart bleibt, mit Kanaken in Kontakt zu kommen. Daß er ein Schulkamerad Johns war, ist reiner Zufall.«
»Ich bin mir da nicht so sicher«, meinte Sammy. »Wir brauchen uns bei ihm keine Gedanken über ein Motiv zu machen. Der Typ ist einfach plemplem und hat sich in irgendwas reingesteigert. Er könnte John, den er aus seiner Schulzeit kannte, rein zufällig getroffen haben. Vielleicht war noch eine alte Rechnung offen, und dann ging es zur Sache.«
»Aber wo?« wollte der Leiter des Führungs- und Lagedienstes wissen. »In der Vaksalagatan, als John auf den Bus wartete? Wo geschah der Mord, die Folterung, und wie hat Hahn die Leiche nach Libro verfrachtet?«
Morenius schüttelte den Kopf.
»Wir wissen noch zu wenig über Hahn«, entgegnete Sammy. »Vielleicht hatte er Zugang zu einer Wohnung, möglicherweise auch zu einem Auto. Wir haben doch bis jetzt keinen Menschen getroffen, der ihn wirklich gekannt hat, der wußte, was er in den letzten Tagen getan hat.«
Ottosson kratzte sich am Kopf.
»Ich glaube, wir können Hahn ausschließen«, sagte er, aber seine Stimme klang nicht wirklich überzeugt.
»Den Mörder des kleinen John müssen wir unter den Spielern oder anderen lichtscheuen Gestalten suchen«, meinte Berglund.
»Wir müssen unvoreingenommen weiterarbeiten«, sagte Ottosson, »wir dürfen jetzt nicht nachlassen. Unbewußt verliert man rasch den Biß.«
»Okay«, ergriff Haver das Wort, »abgesehen von John waren acht Personen bei diesem Pokerabend. Ljusnemark hat uns ihre Namen genannt. Vier plus Ove Reinhold haben wir heute verhört. Bleiben noch drei. Einer ist offenbar im Ausland, eventuell in Holland. Seine Mutter lebt dort. Ein anderer ist wie vom Erdboden verschluckt, und der dritte ist Mossa, der anscheinend verreist ist. Wir haben mit seinem Bruder und seiner Mutter gesprochen, die in der Stadt wohnen.«
»Wer ist denn eventuell in Holland?«
»Dick Lindström.«
»Der mit den Zähnen?«
Haver nickte.
»Genau der.«
»Und wer ist ›wie vom Erdboden verschluckt‹, wie du es ausdrückst?«
»Ein gewisser Allan Gustav Rosengren, genannt ›Die Lippe‹. Zwei Verurteilungen wegen Hehlerei, zuletzt vor fünf Jahren. Er hat keinen festen Wohnsitz. Bis vor zwei Jahren war er in Mälarhöjden gemeldet, wo er als Untermieter bei einer alten Schachtel gewohnt hat. Dort ist er ausgezogen und seitdem aus allen Registern verschwunden.«
»Einer mit Zähnen und einer mit Lippe«, bemerkte Riis.
»Können wir Ljusnemark als Täter ausschließen?« erkundigte sich Morenius.
»Ich denke schon«, antwortete Haver. »Er scheint mir ein ziemlicher Hasenfuß zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er jemandem einen Finger abschneidet.«
»Dann wäre also Geld das Motiv?«
»Spielschulden scheiden jedenfalls aus«, meinte Haver.
»Alle sagen übereinstimmend aus, daß der kleine John gewonnen hat. Der genannte Betrag schwankt ein wenig, aber es geht um ungefähr zweihunderttausend Kronen. Eventuelle Spielschulden
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