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Der Tote in der Wäschetruhe

Der Tote in der Wäschetruhe

Titel: Der Tote in der Wäschetruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Swat
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kommen auch darüber hinweg. Die haben das auch nach einem Jahr vergessen. Was nützt es, wenn ich immer noch so viel dran denke.«
    Die Staatsanwaltschaft reicht am 26. März 1979 beim Bezirksgericht Cottbus Mordanklage gegen Jörg Bunte ein. Einen
    Monat später wird an zwei Tagen über den inzwischen 16-Jäh-rigen und seine Tat verhandelt. Überraschend bringt er bei seinem Geständnis in der Beweisaufnahme eine dritte Variante des Motivs ins Spiel, die »aber nunmehr endgültig wahr ist«. Demnach habe Katja sich über ihn lustig gemacht, ihn gar verhöhnt, weil er sich aufgrund des reichlichen Alkoholkonsums »abgerackert« und letztlich den Geschlechtsverkehr abgebrochen hätte, ohne dass es zum Samenerguss gekommen sei. Sie habe ihn als impotent bezeichnet. Darüber sei er in Wut geraten, und weil er ausschließen wollte, dass sie ihn bei anderen Jugendlichen lächerlich machen würde, habe er sie getötet.
    Für das Gericht ist das eine reine Schutzbehauptung, die ihm für die Beurteilung der Schwere seiner Schuld günstiger erscheint. Es sieht die Angst vor einer Vaterschaft als Antrieb für die Tat an. Ein Kind hätte das ungebundene Leben des Angeklagten erheblich eingeschränkt. Das wollte er nicht. Der erste Strafsenat verurteilt Jörg Bunte wegen Mordes an Katja Radunke zur Höchststrafe für Jugendliche von 15 Jahren Gefängnis. Trotz des Alkoholgenusses und der sexuellen Erregung haben die Richter keinen Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
    Das Oberste Gericht der DDR hebt das Urteil im Juni 1979 auf und verweist das Verfahren zurück nach Cottbus zur Neuverhandlung. Die obersten Richter monieren nicht die Verurteilung von Jörg Bunte wegen Mordes und auch nicht die ausgesprochene Strafe. Im Gegenteil gehen sie davon aus, dass das Bezirksgericht auch im Ergebnis einer erneuten Beweisaufnahme zu einer Verurteilung wegen Mordes kommen muss, wenn nicht grundsätzlich andere Tatumstände festgestellt werden. Sie kritisieren ausschließlich die Beweisführung für das ausgesprochene Urteil, die der Pflicht nach umfassender Tataufklärung nicht genügt. Es sei keineswegs sicher, dass der Angeklagte den Mord tatsächlich aus den im Urteil genannten Gründen begangen habe. Es könnten auch die im Geständnis vor Gericht vom Angeklagten vorgebrachten Motive gewesen sein, die ihn zur Tat getrieben haben, zumal die Gerichtsmedizin bei der Untersuchung am Opfer keinerlei Spermaspuren gefunden hat.
    Für die Zweitauflage des Prozesses im November 1979 lässt das Cottbuser Gericht ein Gutachten anfertigen, in dem das Aussageverhalten von Jörg Bunte und die Glaubwürdigkeit seiner jeweiligen Aussagen bewertet werden. Nunmehr entscheiden sich die Richter für die dritte, vor Gericht vorgebrachte Version des Tatmotivs. Das passe am ehesten zu dem Angeklagten, der geltungsbedürftig und dominant auftritt und stets darauf bedacht ist, dass sein Image keine Kratzer bekommt. Im Ergebnis bleibt es bei der Verurteilung zu 15 Jahren Gefängnis wegen Mordes. Die erneut von der Verteidigung eingelegte Berufung wird vom Obersten Gericht im Dezember 1979 verworfen. Im Oktober 1990 wird für Jörg Bunte der Vollzug der Haft: mit einer Bewährung von vier Jahren ausgesetzt. Die Reststrafe wird ihm nach Ablauf der Bewährung erlassen.

GIFTMISCHERINNEN
    In Beziehungen zwischen Menschen gibt es wohl nichts, was unvorstellbar ist. Die zwischen Kurt Merker aus Schwarzheide und den Schwestern Isolde und Gerda Brechner aus Lauchhammer sind bizarr.
    Im November 1976 ist Merker 72 Jahre alt und einsam. Ehefrau Martha ist vor einigen Monaten verstorben. Seitdem führt ihn sein Weg öfter in die Gaststätte »Casino« nach Lauchhammer. Beide Städte liegen dicht beieinander und sind industriell geprägt. In Schwarzheide dominiert die Chemieproduktion, in Lauchhammer die Kohleveredlung. Merkers Zuhause in Schwarzheide ist alles andere als luxuriös. Von außen macht es einen verfallenen Eindruck, und drinnen sieht es auch nicht viel besser aus, seit seine Martha tot ist und keiner mehr den bescheidenen Haushalt führt.
    Isolde und Gerda Brechner sind blutjung, als sie zu dieser Zeit in eben jenem »Casino« den Rentner kennenlernen. Isolde ist gerade 17 Jahre alt geworden, Schwester Gerda ist eineinhalb Jahre jünger. Merker kennt die Familie der Mädchen. Als seine Frau noch lebte, hat man hin und wieder miteinander ein Schwätzchen gepflegt.
    Isolde und Gerda stammen aus einer kinderreichen Familie. Sie sind das zweite und

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