Der Tote in der Wäschetruhe
den Schoß von Gertrud zurück.
Das Familienleben beginnt sich wieder zu normalisieren. Langsam gewinnen die Eheleute neues Vertrauen zueinander. Die Gespräche, Seitenhiebe und Vorhaltungen wegen des Fremdgehens werden mit der Zeit seltener. Seine Frau verzeiht ihm den Seitensprung. Zwei Jahre später ist das Techtelmechtel ganz aus der Gedankenwelt der Schulzes verschwunden. Über eine Scheidung wird nicht wieder gesprochen.
Doch Reibungen im Alltag bleiben nicht aus. Gerade hat es wieder gekracht zwischen den Eheleuten, und Klaus zieht aus diesem Grund nichts nach Hause. Eine anstrenge Glasmacherschicht mit einigen Problemen an der Schmelzwanne, die von ihm geleitet wird, ist endlich vorbei. Ihn treibt der Appetit auf ein paar Bier und die Aussicht, dem häuslichen Frust für einige Stunden zu entfliehen, in die Gaststätte »Deutsches Haus« in Bernsdorf. Konfliktsituationen, egal ob sie privat oder betrieblich begründet sind, entzieht er sich gern durch Klönen in Kneipen. Dabei trinkt er auch größere Mengen Alkohol als das übliche Bierchen zum Essen und beim Fernsehabend. Auf sexuelle Abenteuer ist der Mann bei Touren durch diverse Lokalitäten nicht aus. Er ist zu Hause gut ausgelastet, und Alkohol macht ihn eher gleichgültig gegenüber weiblichen Reizen, als dass er besondere Triebhaftigkeit erzeugen würde. Er neigt unter Alkoholeinfluss nicht zu Streitigkeiten oder Gewalt, sondern wird zum friedlichen Gesellen. Zumal Klaus Schulze nie so viel trinkt, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne ist.
An diesem letzten Freitag im Januar 1976 fühlt er sich mit Kollegen, die er im »Deutschen Haus« trifft, wohler als daheim bei Gertrud und den Kindern.
Die Männerunde bechert nicht schlecht. Klaus Schulze ruft gegen 22.30 die Kellnerin, um zu bezahlen. Lust zur Heimkehr hat er zwar noch nicht, aber in einer Viertelstunde ist Ausschank-schluss. Er begleicht die Zeche, die nicht von Pappe ist. Auf der Rechnung stehen neben einem deftigen Eisbein mit Sauerkraut und Brot 15 kleine Glas Bier. Er steigt um 22.37 Uhr in den Bus nach Hoyerswerda, der direkt vor der Gaststätte hält.
Klaus Schulze ist angetrunken, doch er ist trinkfest. Ein Schwips ist ihm nicht anzumerken. Der Bus ist zu dieser Zeit spärlich besetzt, so dass er auf dem Sitz bequem seinen Gedanken nachhängen kann. Ein paar Haltestellen weiter steigt eine junge Frau zu. Sie hat sich gerade von ihrem Freund mit einem innigen Kuss verabschiedet. Es ist Undine Teschke (21), eine junge Arbeiterin aus dem Glaswerk in Bernsdorf, lebenslustig und dem anderen Geschlecht willig zugetan auf der Suche nach dem Traummann. Sie nimmt schräg vor Klaus Platz. Der Ingenieur und die Glasmacherin kennen sich zwar vom Sehen aus dem Betrieb, haben aber noch nie ein Wort miteinander gewechselt. Zu verschieden sind diese beiden.
Kurz vor 23 Uhr erreicht der Bus Hoyerswerda. An einer der Haltestellen in der Altstadt steigt Schulze aus. Der Streit mit Gertrud um die Erziehung der Kinder nagt weiter an ihm. Müde ist er noch nicht, und Durst auf ein Bier hat sich schon wieder eingestellt.
Für Undine Teschke ist an der gleichen Haltestelle die Fahrt beendet, sie wohnt in der Nähe. Obwohl die »kleine Arbeiterin« sozial gesehen überhaupt nicht seine Kragenweite ist, spricht Klaus Schulze das Mädchen an. Ein belangloses Geplänkel entwickelt sich, an dessen Ende die Verabredung steht, sich gemeinsam noch ein Schlückchen zu gönnen. Das Zufalls-Paar schlendert die Friedrichsstraße hinunter Richtung Markt, der offiziell »Platz der Roten Armee« heißt. In der »Post«, einer Bierkneipe, die auf dem Weg liegt, sind alle Türen dicht. Das Duo schlendert weiter, vorbei am Krabat-Klub, in dem sich junge Leute treffen. Im Klub ist noch Licht, doch er ist leider keine Gaststätte. Auf dem Markt ist der »Ratskeller« eine gute Adresse. Doch der hat um diese Zeit ebenfalls geschlossen. Bleibt als letzte Zuflucht die HO-Gaststätte »Kastanienhof«. Die knapp zehn Minuten Fußmarsch vom Ratskeller aus nehmen die neuen Bekannten in Kauf. Wenn eine Dreiviertelstunde vor Mitternacht in der ansonsten menschenleeren Altstadt von Hoyerswerda noch etwas los ist, dann dort. Der »Kastanienhof« hat eine Nachtbar, einen Saal für Tanzveranstaltungen und ein Restaurant. Klaus Schulze und Undine Teschke setzen sich an einen freien Restauranttisch, bestellen sich Bier, gehen anschließend hinüber in den Saal und tanzen eine Runde. Klaus bezahlt, und beide steigen die Treppe hinauf in
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