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Der Tote in der Wäschetruhe

Der Tote in der Wäschetruhe

Titel: Der Tote in der Wäschetruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Swat
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die Frau wie in Trance. Sie setzt sich an den Wohnzimmertisch und schreibt zwei Briefe. Der erste ist an die Jugendfürsorge der Stadt gerichtet. Darin teilt sie mit, dass das Sorgerecht für das Enkelkind Riccarda von ihr nicht mehr beansprucht wird, weil sie einen Mord begangen habe. Der zweite Brief ist an Tochter Cordula adressiert: »Ich habe Deinen Vater umgebracht. Er wollte nicht, dass Riccarda wieder nach Hause kommt«, schreibt sie. In einer Art Testament vererbt sie der Tochter die Wohnung, an der sie Anteile bei der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft besitzt. »Gehe mit allem gut um und suche dir einen anständigen Mann, dann weiß ich, für was ich es getan habe. Vergiss mich nicht, ich musste so handeln, damit ich endlich Ruhe habe. Lebewohl und verzeih mir. Deine todunglückliche Mutter«, heißt es in dem Brief weiter. Maria läuft zum Briefkasten am Ende der Straße, steckt die Post hinein und kehrt in die Wohnung zurück. Dort packt sie ein paar Sachen zusammen, die sie mitnehmen will, wenn die Polizei kommt und sie verhaftet. Dann nimmt die Frau im Sessel am Couchtisch Platz und leert die Flasche Schnaps vom Vortage bis zum letzten Tropfen. Sie betrinkt sich, um zu vergessen, was sie getan hat.
    Am folgenden Tag, es ist der Freitagvormittag, kommt ihr Sohn Frank-Michael vorbei. Er will sich erkundigen, warum sein Stiefvater tags zuvor ohne Entschuldigung nicht zur Spätschicht gekommen ist. Auf den ersten Blick erkennt er, dass die Mutter erheblich betrunken und total verstört ist. »Vater wird nie wieder auf Arbeit gehen«, nuschelt sie hervor. Frank-Michael geht ins Wohnzimmer und sieht die zugedeckte Gestalt auf dem Sofa. Nackte Füße, die ganz blau aussehen, schauen unter der Molly-Decke hervor. Er hebt die Decke hoch, spricht den Stiefvater an: »He, was hast du, was ist mit dir los?« Der reagiert nicht, liegt bewegungslos da, rührt sich auch nicht, als er angestoßen wird. Frank-Michael rennt aus der Wohnung und ruft von einer Telefonzelle aus den diensthabenden Offizier des Volkspolizei-Kreisamtes in Cottbus an: »Schicken Sie sofort einen Funkstreifenwagen in die ... Meine Mutter hat meinen Vater umgebracht. Er liegt tot auf der Couch, so tot, wie ein Indianer nur sein kann. Er hat keinen eingeschlagenen Kopf, aber blaue Flecken am Hals und im Gesicht«.
    Als die Polizei kurze Zeit später mit dem Sohn die Wohnung im ersten Stock betritt, harrt Maria Mießner im Sessel der Dinge, die da kommen. Auf den ersten Blick fällt den Polizisten beim Betreten der Wohnung ein Regal über der Schlafzimmertür auf. Darauf sind Bierdosen gestapelt, die bei Biertrinkern beliebte Sammelobjekte sind, weil es die im Westen gibt und in der DDR nur in Intershop-Läden. Das Wohnzimmer hat die Standardeinrichtung der typisierten Plattenbauten: Schrankwand vom Typ Leipzig IV-1, darin der Fernsehapparat. Gegenüber stehen die ausklappbare Couch, davor ein Tisch und zwei Sessel. Auf den Nachttischen im Schlafzimmer befinden sich Limonaden- und Bierflaschen, ein Flaschenöffner, Zigaretten der Marke F6, Streichhölzer und ein gefüllter Aschenbecher. Die Doppelbett-Seite rechts ist unberührt, die linke hingegen zerwühlt. Im Schrank im Flur stehen Reinigungsgeräte und vor allem jede Menge leere Schnapsflaschen. Darüber in den Fächern liegt allerlei Kram, der im Haushalt benötigt wird, darunter eine Rolle Paketschnur.
    Nachdem ein Arzt den »unnatürlichen Tod« des spärlich bekleideten Mannes auf der Couch festgestellt hat, werden der Leichnam zur Obduktion in die Medizinische Akademie nach Dresden und die mutmaßliche Täterin Maria Mießner zum VPKA gebracht. Kriminaltechniker der Morduntersuchungskommission sichern die Spuren in der Wohnung und versiegeln sie nach Erledigung dieses wichtigen Teils der Aufklärungsarbeit. Am Mittag, kurz nach 13 Uhr, beginnt bei der MUK die Vernehmung der Beschuldigten. In der Befragung, die drei Stunden dauert, gesteht Maria Mießner ohne Ausflüchte in allen Einzelheiten und soweit sie sich erinnern kann, wie sie ihren Ex-Mann getötet hat. Auf die Frage, wie sie sich fühlt, antwortet sie den Vernehmern: »Saugemein, weil ich getan habe, was ich nie im Leben getan hätte. Ich konnte nicht mehr. Er hat mich so beleidigt an diesem Abend. Ich hatte es satt, ich war für ihn immer nur der letzte Dreck.«
    Maria hat nach eigenen Aussagen ihren Lebenspartner getötet. Doch war sie am Tatabend auch in der Lage, ihr Handeln zu steuern und die volle Tragweite zu erkennen? In

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