Der Tote in der Wäschetruhe
der Medizinischen Akademie »Carl Gustav Carus« in Dresden wird die Beschuldigte von Prof. Dr. Ehrig Lange untersucht. Auf seine Frage, warum sie dem Mann trotz aller Erniedrigungen und Repressalien immer wieder die Treue gehalten habe, gibt sie nur eine Begründung: »Wenn er nicht getrunken hat, war er ein sehr angenehmer Partner. Ich habe ihn trotz allem geliebt.« Zur Schuld- und Steuerungsfähigkeit wird festgestellt:
Die Beschuldigte hat weder in krankhafter Störung der Geistestätigkeit noch im Zustand einer krankhaften Bewusstseinsstörung gehandelt, wohl aber in angespannter emotionaler Spannung als auch in alkoholisch gelockerter bis beeinträchtigter Bewusstseinsstabilität. Eine krankheitswertige abnorme Entwicklung der Persönlichkeit ist nicht zu belegen.
Damit ist zunächst unter forensisch-psychiatrischen Aspekten auszusagen, dass tatbezogen keine Zumessung aufgehobener oder verminderter Zurechnungsfähigkeit festzustellen ist. Was die alkoholische Handlungsbeeinflussung betrifft, so ist ebenfalls als sicher auszusagen, dass sich weder für einen pathologischen noch für einen pathologisch gefärbten Alkoholrausch eine Begründung ergibt.«
Unter diesem Gesichtspunkt klagt die Staatsanwaltschaft Maria Mießner wegen Mordes an. Eine Affekthandlung wird ausgeschlossen, weil zwischen den Beschimpfungen und der Tatausführung mindestens zweieinhalb Stunden vergangen waren. Sie habe nicht spontan gehandelt, sondern die Tat nach dem einmal gefassten Entschluss planmäßig und zielstrebig umgesetzt.
Am 15. August 1989 verurteilt das Bezirksgericht Cottbus die Angeklagte wegen Mordes gemäß dem Antrag des Staatsanwaltes zu zwölf Jahren Gefängnis. Der Auffassung der Verteidigung, dass Maria Mießner im Affekt, also im Zustand hochgradiger Erregung, gehandelt hat, widerspricht der erste Strafsenat. Die Angeklagte habe als Hauptmotiv für die Tötung ihres geschiedenen Mannes angegeben, dass dieser ihr den Erhalt des Sorgerechts für die Enkeltochter unmöglich machen wollte, heißt es in der Urteilsbegründung. Seine Auffassung habe ihr das Opfer zuvor bereits mehrfach mitgeteilt und dafür zum Teil auch vernünftige Gründe angeführt wie ihr Alter, die falsche Wirkung auf die Tochter, wenn sie ihr die Pflichten dem Kind gegenüber abnimmt oder auch das Trinken von Alkohol in der Wohnung. Die Angeklagte konnte deshalb nicht in eine plötzliche psychische Ausnahme- und Zwangssituation geraten sein, zumal die Tötung des Geschädigten ihre Interessenlage diesbezüglich nicht besserte, sondern den gestellten Antrag endgültig zunichte machte, so die Richter. Also konnte die Tötung nicht eine »Befreiung«, sondern nur eine nicht zu billigende Vergeltung darstellen.
Bei der Strafzumessung berücksichtigt das Gericht dennoch strafmildernde Umstände wie die Beschimpfungen, Bedrohungen und Misshandlungen durch das Opfer, ihre einwandfreien Arbeitsleistungen im Betrieb und das Mitwirken an der Aufklärung des Verbrechens. Mit der Strafe von zwölf Jahren Freiheitsentzug bewegen sich die Richter an der unteren Grenze der Vorgabe des Strafgesetzbuches der DDR, das für die vor-
Nützliche Tötung eines Menschen eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bis zu lebenslänglich festlegt.
Im Oktober des gleichen Jahres bestätigt das Oberste Gericht der DDR das Urteil für das tödliche Ende der von Hassliebe geprägten Beziehung von Maria und Eberhard Mießner. Im Zuge eines Gnadenerlasses durch den Minister der Justiz des Landes Brandenburg wird die Strafe später auf acht Jahre herabgesetzt. Im Juni 1994 verfügt das Landgericht Cottbus die Aussetzung der Haft und legt die Bewährungszeit auf vier Jahre fest. Einen Monat später kann Maria Mießner das Gefängnis verlassen. Im Jahre 1999 verstirbt sie im Alter von 66 Jahren.
VERHÄNGNISVOLLE BEGEGNUNG
Michaela Moritz will schnell nach Hause. Es ist winterlich kalt Anfang Februar 1976. Außerdem wird es kurz vor 18 Uhr bereits dunkel. Das neunjährige Mädchen tritt in die Pedalen, um den Weg durch den Wald, der Maukendorf und Knappenrode verbindet, schnell hinter sich zu bringen. Gut eine halbe Stunde ist es her, seit sie von daheim aufgebrochen ist, um im Konsum der Nachbargemeinde Knappenrode Milch zu kaufen. Die Orte liegen an einem See in der Nähe von Hoyerswerda. Früher wurde hier Braunkohle gefördert. Doch inzwischen ist die Grube geflutet, und im Sommer ist viel Betrieb an den Stränden.
Um diese Jahreszeit begegnet man in dieser Gegend kaum
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