Der Tote in der Wäschetruhe
Mädchensa-chen angezogen und sich in Fantasien in die Lage vergewaltigter Mädchen versetzt, später die junge Sekretärin im Zimmer der Bürgermeisterin sexuell genötigt und im Betrieb kaum Zeit zur Arbeit gehabt, weil er ständig onanieren musste. Das alles schmückt Helfried mit vielen pikanten Details seiner fetischistischen und sadistischen Veranlagung aus. Vom Kennenlernen seiner Verlobten Christina und von den intimen Erfahrungen mit ihr berichtet Tutschinski nur in wenigen und bemerkenswert zurückhaltenden Worten. Es sei schließlich erneut zu abar-tigen Handlungen gekommen, ist der Kern der acht Zeilen, die er in seiner »Lebensbeichte« dieser Beziehung widmet.
Und das aus gutem Grund. Christina hat nämlich wenig Auf-fälliges im Sexualleben mit Helfried gespürt. Sie berichtet zwar von einer starken und selten versiegenden Manneskraft, nicht aber von Gewalt beim Geschlechtsverkehr oder überbordender »Geilheit« beim Anblick von Reizwäsche. Im Gegenteil: Männer, mit denen sie vor der Zeit mit Helfried intime Beziehungen hatten, seien viel weniger zärtlich gewesen als ihr jetziger Verlobter. Drei- bis viermal am Tag Geschlechtsverkehr, wenn möglich noch öfter, seien für ihn normal gewesen. Auch ihr habe diese Intensität Freude bereitet. Wenn sie doch einmal nicht wollte oder konnte, sei Helfried zwar wütend gewesen, doch er habe sie nie mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen.
Vom ersten Tag der Begutachtung in der Medizinischen Akademie in Dresden pflegt Helfried Tutschinski seine Rolle als Mann, der sexuell abnorm veranlagt ist. Er klagt über starke Schmerzen in der Genitalgegend und im Unterleib und zuckt schon bei der kleinsten Berührung mit verzerrtem Gesicht zusammen. Als der Arzt nicht reagiert, klingen die Schmerzen urplötzlich ab. Eine solche Wunderheilung scheint bei Helfried öfter stattzufinden. Vor seiner Fahrt nach Lübbenau hatte er sich in Neuruppin von einem Arzt krankschreiben lassen, weil sein einziger Hoden unerträglich schmerzte. Im Spreewald angekommen, musste die gute Luft in der Lausitz die Entzündung am Geschlecht weggeweht haben. Helfried jedenfalls wird durch den schmerzenden Hoden nicht vom Tanzen abgehalten, nicht vom Onanieren auf der Toilette und nicht von der Vergewaltigung und Ermordung von Liane Kaiser.
In den Wochen seines Klinikaufenthalts führt Tutschinski seine fantasievolle Selbstbefriedigung immer wieder öffentlich vor. So nimmt er sich aus einem der Klinkräume heimlich eine Gardine mit und legt sich den Stoff wie ein Tanzröckchen um die Hüfte. Dann lässt er den Gutachter unter dem Vorwand rufen, er müsse ihm dringend etwas mitteilen. Mit erigiertem Penis und dem imitierten Röckchen tanzt er vor dem Arzt herum und lässt ihn wissen, dass er es sogar »hier machen muss«, weil es »so schlimm um ihn steht«. Mitpatienten lädt er zu sich ins Bett ein mit der Bemerkung, dass es miteinander doch viel schöner sei, als allein zu wichsen.
Dass ihm der Gutachter seine Krankheit nicht glaubt und ihn eher für einen Simulanten hält, will er nicht akzeptieren. Die Ärzte an der Charite in Berlin wären wenigstens Experten gewesen und hätten seine abnorme krankhafte Veranlagung erkannt, schimpft er. In der Nervenklinik in Neuruppin habe er das nur bestritten aus Angst, dass er von seiner Freundin Christina getrennt würde, begründet er seine Kehrtwende.
Prof. Dr. Ehrig Lange kommt in seiner Expertise zu dem
Schluss, dass bei Tutschinski durchaus eine gestörte und damit schwerwiegende abnorme Sexualentwicklung vorliegt. Allerdings ist diese in den vergangenen zwei bis drei Jahren abge-klungen und Tutschinski zu normalen sexuellen Beziehungen In der Lage. Er sei zu »seinem Orgasmus« gekommen, ohne abartige Fantasien zu benötigen. Er brauchte dazu nicht mehr Unterröcke und Reizwäsche als Fetische, und Gewalt schon gar nicht. Tutschinski, so der Gutachter, ist für seine Tat voll verantwortlich.
Unter dem Eindruck dieses Gutachtens rückt der Angeklagte In der Hauptverhandlung vor dem ersten Strafsenat des Bezirksgerichtes Cottbus von seinem ursprünglichen Geständnis ab. Er gibt zu, Liane Kaiser getötet zu haben, damit sie ihn wegen der Vergewaltigung nicht anzeigen konnte. Obwohl anfänglich durchaus zu Intimität bereit, hatte sich Liane in der Tatnacht nach einer Zigarettenlänge auf der Hausbank doch gegen einen »One-Night-Stand« entschieden und ihm das deutlich zu verstehen gegeben. Helfried aber ist zu diesem Zeitpunkt nicht
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