Der tote Raumfahrer
bereits eine bestens ausgerüstete Nachrichtenzentrale existierte, in Gestalt der Gruppe L, direkt auf seinem Flur. Und so wurde Hunts ständig wachsender Arbeitslast noch ein weiteres, nicht unbeträchtliches Element hinzugefügt. Bald wurden Pressekonferenzen, Fernsehdokumentationen, Filminterviews und Reporter Bestandteile seiner täglichen Routine, ebenso wie die wöchentliche Herausgabe von Bulletins über die erzielten Fortschritte bei den Untersuchungen. Trotz der Objektivität und Formulierung dieser Bulletins schienen sie einer rätselhaften Metamorphose unterzogen zu werden, bis sie, ausgehend von den Navkomm-Büros, auf den Titelseiten der Zeitungen oder den Wand-bildschirmen in den Wohnzimmern erschienen. Noch selt-samere Dinge rührten sich in den Gedanken der Leute, die sie lasen.
Eine der britischen Sonntagszeitungen präsentierte das Alte Testament in einer neuen Gestalt – als die Folge von Aktionen außerirdischer Wesen, die infolge der Primitivität der damaligen Menschen mystifiziert worden waren. Die Plagen, die Ägypten heimgesucht hatten, waren absichtli-
che ökologische Manipulationen, die als Warnung an die tyrannischen Pharaos gedacht waren. Moses war von Flie-genden Untertassen durch das Rote Meer geleitet worden, während die Wassermassen von nukleonischen Kraftfeldern zurückgehalten wurden; und das Himmelsmanna war aus den Kohlenwasserstoff-Verbrennungsmotoren thermonuklearer Antriebseinheiten geformt worden. Ein Verleger in Paris überdachte diese neuen Erkenntnisse und beauf-tragte einen freien Autoren damit, das Leben Christi als eine symbolische Summe von offensichtlichen Wundertaten eines Lunariers zu beschreiben, der nach einer achtund-vierzigtausend Jahre andauernden Meditation in den Ster-nenwüsten der Galaxis zur Erde zurückgekehrt war.
Es wimmelte nur so von ›authentischen‹ Berichten, wonach die Lunarier noch immer auf der Erde weilten. Sie hatten die Pyramiden gebaut, Atlantis versenkt, den Bos-porus gegraben. Es gab ›echte‹ Augenzeugenberichte über Landungen von Lunariern in jüngster Zeit. Irgend jemand hatte vor zwei Jahren im Zentrum der Colorado-Wüste ein Schwätzchen mit dem Piloten eines lunarischen Raumschiffes gehalten. Alle überlieferten Hinweise auf übernatürliche Phänomene, Erscheinungen, Besuche, Wundertaten, Heilige, Geister, Visionen und Hexen standen im Zusammenhang mit den Lunariern.
Aber als die Monate dahingingen und keine sensationelle Offenbarung zutage trat, begann sich die Welt nach anderen Sensationen umzusehen. Berichte über neue Untersuchungsergebnisse beschränkten sich auf die seriösen wissenschaftlichen Journale und Vorträge in Forschungsinsti-tuten. Die Wissenschaftler des Projekts konnten ungestört weiterarbeiten.
Dann empfing ein UNWO-Team, das ein Observatorium auf der erdabgewandten Seite des Mondes errichtete, ungewöhnliche Ultraschallsignale von einem sechzig Meter unter der Oberfläche liegenden Punkt. Man trieb einen Schacht hinab und entdeckte etwas, was wie das einzige Überbleibsel der Untergeschosse einer weiteren Lunarierbasis aussah, auf jeden Fall aber das eines Gebäudes. Es war einfach nur ein Metallkasten, drei Meter hoch und so breit und lang wie ein kleines Haus; an dem einen Ende fehlte die Wand, und das Innere war zu einem Viertel mit Staub und Geröll gefüllt. Im restlichen Raum fand man die verkohlten Gerippe von acht weiteren Lunariern, einige Möbelstücke, ein paar technische Ausrüstungsgegenstände und eine ganze Anzahl versiegelter Metallbehälter. Wie auch immer der restliche Bestandteil des Gebäudes oder der Anlage, von der dieser Kasten ein Bestandteil gewesen war, ausgesehen hatte – er war verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Später wurden die Metallcontainer von den Wissenschaftlern in Westwood geöffnet. Im Innern der Kanister befand sich eine Sammlung sortierter Nahrungsmittel, die, obwohl eingekocht, gut erhalten waren. Was auch immer sie erhitzte, hatte vermutlich auch die Lunarier zerkocht.
Die meisten Behälter enthielten chemisch konserviertes Gemüse, Fleisch und Süßspeisen; einige jedoch wiesen auch eine Anzahl von Fischen auf, die so groß wie Heringe und bestens erhalten waren.
Als Danchekkers Assistent einen dieser Fische sezierte und das Innere untersuchte, wurde er aus dem, was er entdeckte, nicht schlau und bat den Professor ins Labor hinunter, um ihn um seine Meinung zu fragen. Danchekker arbeitete ohne Unterbrechung bis um acht Uhr des nächsten
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