Der tote Raumfahrer
Beschaffenheit im mikro-skopischen Bereich, daß ihre Entwicklungsgeschichte eine total andere war. Als sich überdies Stützpunkte, Startrampen, Kommunikationseinrichtungen und all das andere Zubehör, das den Menschen überallhin begleitete, auf der erdzugewandten Seite auszubreiten begann, ließ die daraus resultierende methodische Oberflächenerfassung auch dort Seltsamkeiten zutage treten.
Die Untersuchungen der Gesteinsproben, die von den acht bis zur Mitte der siebziger Jahre erforschten Mond-regionen stammten, hatten zu übereinstimmenden Resultaten geführt, die die orthodoxen Theorien erhärteten. Selbst als aus acht erforschten Orten Tausende wurden, paßte der größte Teil der zusätzlichen Informationen ins Bild – bis auf einige Ausnahmen, die anzudeuten schienen, daß einige der geologischen Formationen auf der erdzugewandten eigentlich auf die erdabgewandte Seite gehörten.
Keine der auf gut Glück hervorgebrachten Erklärungen war wirklich überzeugend. Aber bald gerieten diese Dinge aus dem Brennpunkt der Aufmerksamkeit. Die Direktoren und Offiziere der UNWO störten sich jedoch nicht sehr daran, zumal die rein wissenschaftliche Aktivität auf dem Mond inzwischen zugunsten intensiver Bautätigkeit zurückgegangen war. Nur Studentengruppen an einigen Universitäten fanden die Zeit, sich über die Differenzen in den spektralen Eigenschaften von Mondstaubproben Gedanken zu machen. So verblieb die Akte mit den dokumentierten Angaben über ›Anomalien der Mondhemisphären‹ über lange Jahre hinweg – zusammen mit unzähligen anderen –im ›Bisher ungelöst‹-Ablagefach der Wissenschaft.
Zur Routinearbeit der Gruppe L gehörte eine methodische Überprüfung des gegenwärtigen Erkenntnisstandes in jedem Wissenschaftszweig, der von Bedeutung für die Bewältigung des Lunarier-Problems sein konnte. Alles, was mit dem Mond zusammenhing, stand natürlich hoch oben auf der Checkliste, und bald hatte die Gruppe genügend Informationen zusammengetragen, um eine kleine Bibliothek zu dieser Thematik anzulegen. Zwei jüngeren Physikern, die sich nicht schnell genug aus dem Staub machten, als Hunt die Aufgaben verteilte, wurde die Herkulesarbeit übertragen, diesen Datenberg durchzusieben. Sie benötigten einige Zeit, bis sie auf das Thema der Hemisphärenanomalien stießen. Als es soweit war, fanden sie Berichte über eine Reihe von Datierungsexperimenten, die vor einigen Jahren von einem Nukleoniker namens Kronski im Max-
Planck-Institut in Berlin durchgeführt worden waren. Die in jenen Berichten aufgeführten Daten veranlaßten die beiden Physiker, alles stehen und liegen zu lassen und sich unverzüglich auf die Suche nach Hunt zu machen.
Nach einer längeren Diskussion rief Hunt per Vi-Phon Dr. Saul Steinfield von der physikalischen Fakultät der Universität von Nebraska an, der sich auf Mondphänomene spezialisiert hatte. Als Folge dieses Anrufs traf Hunt Vor-kehrungen, die Leitung der Gruppe L für ein paar Tage an seinen Stellvertreter zu übergeben, und früh am nächsten Morgen flog er nach Omaha ab. Steinfields Sekretärin erwartete Hunt am Flughafen, und innerhalb einer Stunde befand sich Hunt in einem der Labors der physikalischen Fakultät und betrachtete ein Mondmodell, das einen Durchmesser von einem Meter hatte.
»Die Kruste ist nicht gleichmäßig beschaffen«, sagte Steinfield und zeigte auf das Modell. »Auf der erdabgewandten Seite ist sie wesentlich dicker als auf der erdzugewandten – das ist bereits lange bekannt, seit dem Zeitpunkt, als in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts der erste künstliche Satellit in eine Mondumlaufbahn gebracht wurde. Das Massezentrum des Mondes ist zwei Kilometer vom geometrischen Zentrum entfernt.«
»Und es gibt keine einleuchtende Erklärung dafür«, grübelte Hunt.
Steinfields umherzuckende Arme vollführten weiterhin wilde, kreisförmige Bewegungen in Richtung des Globus vor ihnen. »Sicher, es gibt keinen einleuchtenden Grund dafür, warum sich die Kruste auf der einen Seite wesentlich dicker formen sollte als auf der anderen, aber das spielt auch keine Rolle, denn bei der Bildung der Kruste sind diese Verdickungen nicht entstanden. Das Material, aus dem die Oberfläche der erdabgewandten Seite beschaffen ist, ist wesentlich jünger, als jedermann bis vor... äh... etwa dreißig Jahren geglaubt hat – verdammt viel jünger! Aber das ist Ihnen bekannt... darum sind Sie ja hier.«
»Sie wollen doch nicht etwa sagen, sie habe
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