Der Tote trägt Hut
hatten?«
»Er meinte, er sei möglicherweise im Besitz sensibler Dokumente zur neuen Strategie der Regierung im Umgang mit muslimischen Separatisten.«
»Schwachsinn«, sagte Opa.
»Aber Sie glauben, es hat etwas mit der Nachricht zu tun, die ich bekommen habe?«, fragte ich.
»Solche Zufälle gibt es nur im Fernsehen.«
Wir bogen auf den Highway nach Norden ein.
»Wissen Sie irgendwas davon, dass Sugit eine Tochter hat?«, fragte ich.
»Ja. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie ihr im Haus begegnet sind.«
»Das dicke Mädchen? Er hat sie eher wie eine Dienstmagd behandelt.«
»Soweit ich gehört habe, lebt sie seit einigen Monaten bei ihm. Ich denke, es ist wichtig, dass wir rausfinden, was sie weiß.«
»Wenn wir also glauben, dass die Tochter der Schlüssel zur Lösung des Falles ist, wieso entfernen wir uns dann von Lang Suan?«
»Nun, es steht mir nicht frei, et cetera bla, bla, aber möglicherweise ist mir gestern ein kleiner Fehler unterlaufen. Nach unserem ausgesprochen netten Mittagessen habe ich mich mal um Sugits heftige Reaktion auf das böse Tantchen Chainawat gekümmert. Ich war neugierig, was er eigentlich gegen sie hat. Deshalb bin ich rüber nach Ranong gefahren.«
»Und jetzt fürchten Sie, Ihr Besuch könnte der Grund für Sugits Entführung gewesen sein. Sie befürchten, Sie haben einen chinesischen Mafiakrieg zwischen den gefährlichsten Clans des Südens ausgelöst, und demnächst verwandelt sich unsere ganze Region in ein blutiges Schlachtfeld.«
»Ganz so dramatisch würde ich es nicht formulieren, aber ja, möglicherweise habe ich angedeutet, dass Sugit die Familie Chainawat nicht unbedingt in allerhöchsten Tönen lobt.«
»Also fahren wir jetzt als Team dahin, um diese Leute der Folter und Entführung zu beschuldigen.«
»Nein, Sie fahren als unschuldige, junge Dame mit Ihrem alten, aber höchst kompetenten Großvater dahin. Ich werde einige Blocks Abstand halten. Ich kann mich dort nicht mehr blicken lassen, für den Fall, dass ich mit der Fehde richtigliegen sollte. Sie waren zufällig in der Nähe, und es war so nett bei Ihrem letzten Besuch, dass Sie dachten, Sie sagen einfach kurz Hallo. Sie sollen nur mal vorfühlen, ob diese Leute irgendwas mit gestern Nacht zu tun haben.«
»Und warum sollten wir das tun?«
»Weil Sie beide genauso neugierig sind wie ich.«
»Und was ist, wenn wir recht haben und diese Leute uns in ihren Keller schleppen und in kleine Stücke hacken?«
»Es wäre der beste Beweis dafür, dass sie nichts Gutes im Schilde führen. Nach meiner Beförderung könnte ich dann zu Ihrer Beerdigung meine neuen Abzeichen tragen und echte Kugeln in die Luft schießen. Ist es zu fassen, dass ich außerhalb vom Schießstand noch nie echte Munition verschossen habe? Eine Schande. Ich bin ein richtig guter Schütze.«
Opa kauerte auf dem Beifahrersitz und grinste wie ein Krokodil. Er war begeistert. Es war, als finge sein Leben noch mal richtig an. Und ich? Ich fragte mich, ob wir mittags wohl noch am Leben sein würden.
»Meine Mutter möchte wissen, warum sie auf Ihre Fragen antworten sollte.«
Das Gesicht des Sohnes war noch bezaubernder als bei meinem letzten Besuch, doch er brachte sein Lächeln weniger großzügig zum Einsatz. Wir saßen am selben Kaffeetisch, vermutlich vor denselben unangetasteten Früchten und Erdnuss-Snacks. Ohne einen uniformierten Polizisten an unserer Seite war es um die Geduld der alten Dame allerdings nicht gut bestellt. Es hatte sehr lange gedauert, bis sie uns eine Audienz gewährte, und ich merkte schon, dass sie nicht lange bleiben würde. Meine Frage war ganz einfach gewesen: »Kennen Sie Koon Sugit Suttirat?«
Angesichts drohender Folterung und Ausweidung nahm ich mir dringend vor, den Weg der Diplomatie nicht zu verlassen. Opa Jah jedoch hielt direkt auf den Dschungel zu.
»Weil Sugit sagt, Ihre Familie sei so korrupt wie ein birmanischer General«, sagte er. »Der Presse gegenüber hat er geäußert, man könne Ihnen nicht trauen, und nur Stunden später wurde er entführt und so schlimm misshandelt, dass sein Leben am seidenen Faden hing. Damit stehen Sie ganz oben auf der Liste der Verdächtigen.«
Es war faszinierend. Irgendwie bewunderte ich meinen Opa und hätte ihm gleichzeitig am liebsten eine stumpfe Machete über den Schädel gezogen. Der Sohn fing an zu übersetzen, aber Opa unterbrach ihn.
»Genug davon«, sagte er. »Die alte Hexe lebt seit vierzig Jahren in diesem Land. Sie versteht alles, was gesagt
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