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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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wird, stimmt’s nicht, meine Liebe? Ja. Ich habe diese inszenierten Übersetzungsdramen schon so oft gesehen, dass es fürs nächste Leben reicht. Sie täuschen niemanden. Es macht Sie noch lange nicht zu irgendwem. Sie sind nur eine Ausländerin unter vielen, nicht wichtiger und nicht unwichtiger als die Tagelöhnerinnen, die Sie da draußen beschäftigen.«
    Es folgten mehrere Sekunden frostigen Schweigens.
    »Ich wichtiger als Birmane«, fauchte die alte Frau in abgehacktem Thai. »Wichtiger als du, alter Mann. Wer bist du?«
    »Meine Sache«, sagte er.
    Das war’s. Das war der Moment, in dem in die Hände geklatscht wird, die Kulis mit Messern zwischen den Zähnen hereinkommen und uns runter in den Kerker schleppen. Ganz toll, Opa. Ich hielt die Luft an. Aber es passierte nichts. Starr funkelte sie meinen Opa an, bis ein hässliches Betelnussgrinsen ihren kleinen Mund in die Breite zog. Fast sah es aus, als flirte sie.
    »Sugit ist Scheißkerl«, sagte sie. »Ich möchte brechen sein Gesicht. Ich reiche Hand den Entführern. Schade, er nicht tot, alter Sugit.« Eine Pause, um ihre Erregung zu bändigen, dann: »Aber nicht ich.«
    Und aus unerfindlichem Grunde glaubte ich ihr. Ich mochte sie nicht. Ich traute ihr nicht. Aber ich glaubte ihr. Nachdem ihr Vorrat an thailändischer Sprache aufgebraucht war, ging sie wieder dazu über, mithilfe ihres Sohnes zu kommunizieren, der allerdings nicht mehr übersetzen musste, was wir sagten. Sie verstand jedes Wort. Sie hatte eine Menge finstere Geschichten zu Landverkäufen und Geschäftemacherei zu erzählen. Wenn sie von Siegen über Sugit berichtete, lächelte sie und spuckte einmal sogar Betel auf den Boden, als sie von seiner Unaufrichtigkeit erzählte. Ich sah es als Revierkampf zwischen zwei alten thai-chinesischen Gangsterclans. Beide hatten sie in modernen Zeiten ein gewisses Ansehen erlangt, aber im Grunde waren sie alle Halunken. Mir war kein Lager lieber als das andere, aber ich sah auch keine Verbindung zwischen dieser Rivalität und dem kleinen Flecken Land weit hinten auf Old Mels Plantage. Ich wagte es, noch mal danach zu fragen, wieso sie dieses kleine Stückchen Land verkauft hatte. Diesmal fiel die Antwort anders aus, und die Alte antwortete persönlich.
    »Wer macht Verbindung von Zukunft und Vergangenheit, versteht vielleicht Gegenwart«, sagte sie.
    Es klang wie ein Glückskeks. Ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Vermutlich war es etwas zutiefst Chinesisches, das ich nie begreifen würde. Im Polizeiwagen auf dem Rückweg versuchten Opa Jah und ich, uns an jedes noch so kleine Detail unseres Gesprächs zu erinnern. Glaubten wir ihr? Wie sollten wir das beurteilen? Aber … nein, nicht so ganz, nicht vollkommen. Hatte sie Sugit entführen lassen? Ich glaubte nicht daran. Ihr abschließendes Rätsel blieb irgendwie bei mir hängen, und das war auch ganz gut so.

Kapitel 15
    »Wer nicht für irgendwas einsteht, steht für nichts. Wer für nichts steht, steht für überhaupt nichts!«
    George W. Bush
    Bellevue Community College,
    2. November 2000
    U m halb zwölf trafen wir in Lang Suan ein. Meteoriten waren gelandet, Dinosaurier hatten sich in Goldfische verwandelt, hatten Beine bekommen und waren Präsident geworden, und noch war nicht mal Mittagszeit. Lieutenant Chompu fuhr uns direkt zu Sugits Haus. Er war davon überzeugt, dass der alte Politiker im Krankenhaus am Tropf hing, um so viel Mitleid und Medieninteresse wie möglich abzuschöpfen.
    »Und wieso sind wir hier?«, fragte ich.
    »Wir gehen mit seiner Tochter zum Lunch«, sagte er. »Ich habe sie angerufen und einen Termin vereinbart, als Sie bei den Chainawats waren.«
    Gehobene Küche war in Lang Suan nicht leicht zu finden. Französisch, japanisch und italienisch konnte man vergessen, sogar amerikanisch, vietnamesisch und deutsch. Das war für die Einheimischen alles viel zu raffiniert. Sogar die Filiale von Kentucky Fried Chicken stand seit ihrer Eröffnung vor einem Monat leer. Also gingen wir mit der Tochter des Exministers in einen winzigen Laden neben dem Uaychai-Kaufhaus. Es gehörte der Nebenfrau eines Propangastank-Barons, den es nicht weiter interessierte, was sie kochte, solange sie Gewinn machte. Das Essen war billig, aber schlicht und lecker, und die Bedienung war so langsam, dass man reichlich Zeit zum Plaudern hatte.
    Die Tochter – Mayuri – war tatsächlich die rothaarige Dienstmagd, die ich im Haus gesehen, die man mir aber nicht vorgestellt hatte. Ohne Umschweife

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