Der Tote trägt Hut
aus klobigen Holzbänken gab, die im Rechteck um einen unpassenden, gläsernen Kaffeetisch standen. Ein kleines Kind spielte mit Holzbuchstaben auf dem gefliesten Boden. Eine Katze rollte herum und zeigte uns ihre Nippel, als wir an ihr vorüberkamen. Dem Mann, der aus einem Nebenraum trat, schien es ganz und gar nicht zu gefallen, dass ein fremder Uniformierter hier hereinkam. Firmen mussten bereits die Polizisten aus ihrem Viertel schmieren und hatten etwas gegen Eindringlinge.
»Ja?«, sagte er. Er sah aus wie Jackie Chans glückloser Bruder. Wir hatten beschlossen, dass Chompu das Reden übernehmen sollte.
»Wir suchen Vicha Chainawat.«
»Ja.«
Es war nicht klar, ob wir ihn gefunden hatten oder ob er nur die Frage verstand.
»Sind Sie Vicha Chainawat?«
»Nein«, sagte er und machte sich auf den Weg ins hintere Büro. Wir nahmen an, dass wir ihm hinterhertraben sollten. Es herrschte geschäftiges Treiben, Leute an Schreibtischen und Computern und – hinter Glastüren – birmanische Frauen in langen Sarongs, die getrockneten Fisch in Plastikbeutel packten. Überall im Süden stolperte man über unsere benachteiligten Nachbarn. Die Eskorte ließ uns mittendrin allein. Wie Hutständer standen wir da, bis Jackies Bruder eine Minute später mit einer alten Dame und einem absolut hinreißenden Mann wiederkam. Erinnerungen an meine unvollendete Liebesaffäre mit Liu De Hua fluteten mein ungenutztes Herz. Er trug ein weißes Hemd, so scharf gebügelt, dass er wie die Oper von Sydney im Sonnenschein aussah.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
Ich bitte darum, dachte ich.
Chompu sprang ein, stellte sich vor, nannte seinen Dienstgrad und meinen Namen, ohne weitere Erklärung. Vicha führte uns zu den Holzbänken mit dem Kaffeetisch zurück, aus welchem wundersamerweise Gläser mit rot sprudelnder Fanta, ein Teller Rambutan und mehrere kleine Erdnusskekse in Pergamentpapier gewachsen waren. Nachdem wir etwas getrunken und alles andere ignoriert hatten, erläuterte Chompu Vicha und der alten Frau unseren Fall. Er erzählte ihnen vom VW und dem Umstand, dass dieser vermutlich zu einem Zeitpunkt vergraben worden war, als das Land noch der Familie Chainawat gehört hatte. Die ganze Zeit übersetzte der hinreißende Mann für die alte Frau, bei der es sich – wie wir bald erfuhren – um seine Mutter, die Matriarchin des Chainawat-Clans, handelte. Sie war noch blasser als die Styroporfrau draußen auf der Straße. Ihr war nicht anzumerken, ob sie ihrem Sohn eigentlich zuhörte und ob sie sich auch nur im Entferntesten für uns interessierte. Erst als Erzählung und Übersetzung erschöpft waren, wurde sie lebendig. Ihr meckernder Vortrag begann wie das Knistern trockener Zweige im Feuer. Dann warf jemand einen Kracher nach dem anderen in die Flammen. Es war überraschend, dass eine derart farblose Frau mit solcher Pracht knallen und pfeifen und ballern konnte. Wir waren alle erschöpft, als sie fertig war, und genossen die kurze Stille.
»Meine Mutter sagt, unserer Familie gehörte seit Anfang des 19. Jahrhunderts alles Land in dieser Gegend. Natürlich war es vor allem eine Investition in Grund und Boden, denn das Land hätte erst noch erschlossen werden müssen, und die meisten Pflanzen, die so nah am Meer angebaut werden, sind minderwertig. Als unsere Familie erfolgreicher wurde, bot man uns besseres Land an, und so haben wir einige Ländereien rund um Pak Nam verkauft.«
»Erinnert sich Ihre Mutter an das Stück Land, das sie Mel verkauft hat?«, fragte Chompu.
»Sie erinnert sich«, sagte der Sohn. »Sie hat ein sehr gutes Gedächtnis.«
»Erst hat Ihre Familie siebzehn Hektar Land an Mel für eine Palmenplantage verkauft, die angrenzenden sechsundzwanzig Hektar jedoch behalten. Vor sieben Jahren haben Sie Mel dann gefragt, ob er Interesse hätte, einen kleinen Streifen Land zu erwerben, und zwar nur die drei Hektar direkt neben seinem Feld. Ursprünglich gehörte dieser Streifen Ihnen, aber Sie haben sich extra die Mühe gemacht, Ihr Land in zwei Teilen ins Grundbuch eintragen zu lassen: einen Teil mit drei Hektar und einen mit dreiundzwanzig Hektar. Warum hat Ihre Mutter das getan?«
Chompu hatte seine Hausaufgaben gemacht. Braver Junge. Vicha fragte seine Mutter, und wir duckten uns, als die Raketen flogen.
»Sie sagt, wir brauchten dringend Bargeld für eine andere Investition.«
»Okay, aber wieso hat sie das Land dann nicht einfach geteilt? Zwei Grundstücke à dreizehn Hektar? Die wären doch
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