Der Tote trägt Hut
gesehen?«
»Leider ja. Die werde ich nie vergessen. Blut war noch nie meine Stärke.«
»Könnten Sie mir den Tatort beschreiben?«
»Muss ich?«
»Es könnte helfen.«
Chompu lenkte den Wagen an den Straßenrand.
»Wieso halten Sie an?«
»Ich muss meine Hände benutzen können.«
»Um einen Tatort zu beschreiben.«
»Dadurch wirkt es dramatischer.«
»Okay.«
»Also, er … der Verblichene, lag mit dem Gesicht nach unten auf dem betonierten Weg, mit den Füßen nach … es muss wohl Osten gewesen sein. Sein Kopf lag fast in den Rabatten, eine Blutlache hatte sich unter ihm ausgebreitet, je einen halben Meter links und rechts.«
»Wie war sein Gesichtsausdruck?«
»Konnte ich nicht sehen. Das Gesicht war von seinem Hut verdeckt.«
»Und seine Kleidung?«
»Eigentlich ganz normal. Keine Wunden, kein Blut am Rücken. Der Major meinte, man hätte ihm mindestens ein Dutzend Mal in den Bauch gestochen.«
Chompu bohrte seinen Finger in die Luft.
»Klingt extrem.«
»Wir haben auf dem Revier darüber gesprochen, nachdem man uns aus den Ermittlungen ausgeschlossen hatte. Die wütenden Messerstiche schlossen diverse Motive aus. Ein Raubmord war unwahrscheinlich, abgesehen davon, dass er ohnehin nicht viel Geld bei sich hatte. Unwahrscheinlich auch, dass der Täter bei etwas erwischt wurde, was er nicht hätte tun dürfen. Selbst ein Auftragsmord war unwahrscheinlich. Da war eher … Groll im Spiel. Es war ein Mord aus Hass, entweder gegenüber Abt Winai selbst oder dem, was er repräsentierte.«
»Jemand, der einen Groll gegen den Buddhismus hegt?«
»Ist schon vorgekommen.«
»Was kann man am Buddhismus hassen? Es ist die gewaltloseste, versöhnlichste Religion, die es gibt.«
»Das kann man nie wissen. Ein Novize, der in jungen Jahren von einem Mönch missbraucht wurde. Jemand, der meinte, seine Großmutter sei eingeäschert worden, bevor sie tot war. Ein alter Zwist. Grundstücksurkunden. Und vergessen Sie nicht: Der Tempel nimmt jeden Exsonstwas ohne weitere Nachfrage in seine Obhut. So mancher Kriminelle trägt die orangefarbene Kutte.«
»Gab es unter den Beweisen, die aufgenommen wurden, irgendetwas, das auf ein Motiv hingedeutet hätte?«
»Rein gar nichts.«
»Und das war das Letzte, was Sie aus Lang Suan gehört haben?«
»Ja … also, nein.«
»Nein?«
»Es kam ein Anruf, ob wir etwas gefunden hätten, was sie versehentlich am Tatort zurückgelassen hatten.«
»Was denn?«
»Eine Kamera.«
Darüber musste ich lachen. »Ich glaub es nicht! Jemand hat die Polizeikamera gestohlen? Heutzutage ist niemand mehr sicher. Gut, dass Sie Ihre eigenen Tatortfotos gemacht haben.«
»Wahrscheinlich glauben sie, wir hätten sie entwendet. Wir sind ja schließlich nur die dummen Dorfbullen.«
Ich starrte aus dem Fenster, und vor meinem inneren Auge breitete sich eine wahre Landschaft von Gedanken aus. Mai sang: »I don’t want you to know.«
»Wann haben sie angerufen?«
»Wer denn?«
»Die Leute, die ihren Fotoapparat verloren haben.«
»Ach, das muss … Sonntag gewesen sein.«
Perfektes Timing.
»Sind Sie sicher, dass es Lang Suan war?«
»Wieso?«
Es schien mir der passende Moment zu sein, um ihm von dem Überfall auf den Wachmann im Feuang-Fa-Tempel am Sonntagabend zu erzählen. Angesichts dessen, was er mir über den Informationsmangel erzählt hatte, überraschte es mich kein bisschen, dass er davon nichts wusste. Ich langte in meine Schultertasche und reichte ihm ein schwarzes Plastiktütchen mit einem leeren Feuerzeug. Ich erzählte ihm, wo ich es gefunden hatte und dass mein Opa meinte, der Angreifer hätte es fallen lassen.
»Wollen Sie damit andeuten, der Mörder hätte uns angerufen, um zu fragen, ob wir seinen Fotoapparat gefunden haben?«
»Ist nur eine Theorie.«
»Und als er feststellen musste, dass wir ihn nicht haben …«
»Ist er zurück zum Tempel, um danach zu suchen. Er hat die halbe Hecke platt getreten.«
»Und wenn Ihr Großvater recht hat, ging dem Feuerzeug das Gas aus, bevor der Täter seinen Fotoapparat wiederfinden konnte.«
»Entweder das, oder er hat ihn gefunden, als ihm gerade das Gas ausging oder nachdem er im Dunkeln herumgetastet hatte. In dem Fall werden wir es nie erfahren. Aber zumindest könnten die Fingerabdrücke des Mörders auf diesem Feuerzeug zu finden sein.«
»Aber wenn wir den Fotoapparat nicht gefunden haben und er ihn auch nicht gefunden hat, dann könnte das bedeuten, dass jemand anders ihn hat.«
»Langsam nimmt die Sache
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