Der Tote trägt Hut
die Leute, die Ihre Bullis gemietet haben, oder?«
»Die werde ich nie vergessen. Es waren zwei Pärchen, beide vom selben Schlag. Solche hatte ich schon öfter gesehen, junge Thai-Kids, die so taten, als wären sie Hippies aus dem Westen. Lange Haare. Fusselbärte. Angezogen wie Landstreicher, damit die Leute sie für Maler oder Musiker hielten. Stanken nach Patschuli. Als sie in den Laden kamen, sahen sie so abgerissen aus, dass ich dachte, sie wollten mich um Kleingeld für einen Becher Tee anschnorren. Dann händigten sie mir ein Geldbündel aus, um den Bulli zu mieten. Bei diesen Musikern weiß man nie, mit wem man es zu tun hat. Also musste man zu allen Pennern nett sein, für den Fall, dass sie reich waren. Es hätte mich misstrauisch machen sollen, dass die beiden Pärchen sich so ähnlich waren.«
»Und warum hat es das nicht?«
»Ich nahm an, dass das erste Pärchen mich seinen Freunden empfohlen hatte. Entweder das, oder irgendwo lief ein Hippie-Festival. Zwischen den beiden Vermietungen lagen nur wenige Tage. Natürlich ist man hinterher immer schlauer. Nein. Ich war nur gierig. Ich habe die Bullis an jeden vermietet, der sie bezahlen konnte.«
»Und die Ausweise, die sie Ihnen dagelassen hatten?«
»Wie gesagt, die waren gefälscht. Die Fotos waren um einiges vorzeigbarer als die Kids selbst, aber es bestand eine gewisse Ähnlichkeit.«
»Haben Sie sie aufbewahrt?«
»Nein, ich musste sie der Polizei aushändigen.«
»Hatten die Kids irgendwelche besonderen Merkmale?«
»Eigentlich nicht. Bärte. Die Mädchen behaarte Achseln. Nichts, was sich nicht mit Seife oder einer Rasierklinge beheben ließe.«
»Okay. Möglicherweise habe ich noch mehr Fragen, aber wenn … dann rufe ich Sie an.«
»Und Sie werden nicht …?«
» Koon Boondej, in meiner Branche lernt man unterschiedlich talentierte Lügner kennen. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie scheinen mir ein Mann zu sein, den das System in die Unaufrichtigkeit gezwungen hat. Also, nein, ich werde niemandem von Ihnen erzählen.«
»Ich danke Ihnen. Das war alles?«
»Na ja. Eins noch. Ich wäre gern fünf Minuten allein mit Ihrem Computer, ohne dass Sie dabei sind.«
»Ich …«
»Ich will mir nicht Ihre Dateien ansehen. Ich muss nur ein paar Fotos öffnen. Aber die sind privat.«
Der Geschäftsführer stellte mir den Computer an und ging einigermaßen gelassen hinaus. Ich klickte die Speicherkarte aus dem Fotoapparat und schob sie an den Rand des Plastiktütchens, damit ich sie nicht mit den Fingern berühren musste. Ich steckte sie in den Home-Art-Computer und wartete darauf, dass er sie erkannte. Ich sah zu Arny hinüber. Er schmollte, hatte aber wieder Farbe im Gesicht.
Der Computer erkannte das externe Speichermedium und fragte mich, was ich damit vorhatte. Ich wollte die Bilder nicht auf dem Computer speichern, also öffnete ich sie mit ACDSee, um sie mir nur anzusehen. Ich klickte darauf.
»Verdammter …«
Es fühlte sich an, als hätte das Büro alle Atemluft aus mir herausgesogen. Mein Magen hing irgendwo oben bei den Neonröhren. Bis ich diese Bilder sah, hatte ich immer geglaubt, es gäbe keinen großen Unterschied zwischen einer simplen, digitalen Wegwerfkamera und einem Gerät der obersten Liga. Digital war digital. Aber jetzt weiß ich: Das war ein Irrtum. Ich war mittendrin in diesen Bildern, zwischen den 3-D-Schichten, und spürte das Entsetzen, als wäre ich selbst das Opfer. Ich schwöre, ich hörte die Fliegen summen und roch das Blut. Ich war gleichzeitig fasziniert und entsetzt von der grausamen Klarheit dieser Bilder.
»Arny«, sagte ich, »normalerweise würde ich dir solche Bilder nicht zeigen, aber für den Fall, dass irgendetwas schiefgeht, brauche ich dich hier als Zeugen. Aber ich warne dich, es wird dir nicht gefallen.«
Kapitel 8
»Freie Gesellschaften sind hoffnungsfrohe Gesellschaften. Und freie Gesellschaften stehen verbündet gegen die wenigen verachtenswerten, die kein Gewissen haben, die morden, wenn ihnen der Hut geht.«
George W. Bush
Washington, D. C., 17. September 2004
N atürlich waren sie mir nahegegangen. Wie sollten sie auch nicht? Auf dem Rückweg fing Arny immer wieder davon an, ich hätte kein Herz, keine normalen Sinne. Meine Arbeit für die Zeitung hätte mich zum Zombie gemacht.
»Wie konntest du da sitzen und dir diese Bilder ansehen, ohne dass es dir das Herz bricht?«, hatte er gefragt.
»Es ist meine Arbeit«, erklärte ich ihm.
Das sagte ich mir immer selbst. Es
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