Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)
heute abend auf einen Sprung vorbei, um sich meine Bilder anzusehen.«
»Ich hatte heute nacht auch Männerbesuch«, sagte Marlen verschmitzt, als sie am Tisch saßen und Espresso schlürften.
Livia hob erstaunt die Augenbrauen, grinste. »Das ging aber schnell. Wo hast du ihn auf gegabelt? Wer ist der Glückliche?«
Marlen kostete die Situation aus und ließ Livia raten, die natürlich nicht darauf kam.
»Salvatore? Ist nicht wahr! Der Retter! Also hast du ihn doch noch auf getrieben?«
»Er mich…« Marlen umriß zufrieden den Verlauf der nächtlichen Stunden.
»Und jetzt?«
»Nichts jetzt. Das war’s. Eine grandiose Nacht. Und im Morgengrauen ist er fort.« Sie senkte die Stimme. »Die Stadt schläft noch, er schwingt sich auf sein Pferd, das Liebchen bereitet ihm einen starken Trunk, als Wegzehrung tausend Küsse – ein Vogelfreier, der im ganzen Lande gesucht wird.«
Livia fand den Vergleich nicht übel. Zumindest war Salvatore abgetaucht, als ob er gesucht würde. »Wäre es denkbar, daß er die Reifen…?«
Marlen schüttelte entschieden den Kopf. »Nein. Aber wir sind irgendwem zu dicht auf die Pelle gerückt, hautnah sozusagen, womit wir wieder bei Malaparte wären.«
Sie erzählte, was sie von Salvatore erfahren hatte. Allmählich ergab die Sache einen Sinn und führte in eine andere Richtung als erwartet. Umberto, Opfer und bisher Hauptverdächtiger, trat in den Hintergrund wie das Männchen mit Regenschirm im Wetterglas in sein Häuschen, und heraus kam die Schönwetterfrau, Fiorilla. »Sie ist zum zweiten Mal verwitwet«, resümierte Marlen. »Erste Ehe mit einem gewissen Dario Gentile, ein international angesehener Kunsthändler, mittlerweile verstorben. Sie hat ihm jahrelang assistiert, spricht mehrere Sprachen, weiß um die Gepflogenheiten auf dem Kunstmarkt, hat entsprechende Verbindungen gepflegt und bewahrt. Sie lernt Umberto kennen, die beiden tun sich zusammen. Soweit die Fakten. Wie könnte es weitergegangen sein?«
»Umberto gründet den Weinhandel als Deckorganisation und Zwischenlager und organisiert den Raub der Kunstwerke, entweder über Mittelsmänner oder direkt«, schlug Livia vor. »Vielleicht kauft er wiederum geklaute Sachen auf. Und Fiorilla kümmert sich um den Weiterverkauf der gestohlenen Kunstwerke. Sie hat die Verbindungen zur internationalen Kunstszene. Ein perfektes Paar.«
»Und dann? Wie erklärst du dir den Mord an Umberto?«
»Eine konkurrierende Bande von Kunsträubern?«
»Oder jemand, der sich hintenrum an der Sache beteiligen will. Erpressung. Eine Art Schutzgeld. Sie haben abgelehnt zu zahlen, Umberto mußte dran glauben«, sagte Marlen.
»Was erklären könnte, wieso Fiorilla hinter ihrer Maske doch Angst hat. Und was ist mit deinem Salvatore? Wie paßt der hinein?«
»Er weiß wesentlich mehr, als er gesagt hat. Er hat uns gewarnt, hat gesagt, wir sollten uns da raushalten. Was bedeutet, daß wir ganz richtig liegen … Und das wiederum bedeutet, daß Salvatore entweder mit drin steckt oder selbst etwas herausgefunden hat«, sagte Marlen nachdenklich.
»Vielleicht hat er mit den beiden zusammengearbeitet und es mit der Angst bekommen. Vielleicht hat er Angst, er könnte der nächste sein«, überlegte Livia.
»Zu viele Vielleichts. Vielleicht dies, vielleicht das.« Marlen schüttelte den Kopf. »So kommen wir nicht weiter. »Wir haben keinerlei Beweise. Höchstens die Fotos, die du heute nachmittag erst noch machen mußt. Und Jeans Statue.«
»Das reicht nicht«, sagte Livia kopfschüttelnd. »Fiorilla kann jederzeit aussagen, daß Umberto die Stücke über irgendwelche Händler erstanden hat. Die Cacciapuoti haben darüber hinaus soviel Geld, daß das glaubwürdig erscheint. Außerdem kann Jean ihre Aussage prinzipiell bestätigen.«
»Hör mal«, begann Marlen nach einer nachdenklichen Pause. »Die Sache scheint nicht ganz ungefährlich zu sein. Was ist mit den Warnungen, mit der von Salvatore und der durch die Reifenstecher? Machen wir weiter oder hören wir auf?«
»Aufhören? Spinnst du? Jetzt, wo’s heiß wird? Überall kann was passieren, zu jeder Tages- und Nachtzeit, du kannst dich schützen, in einem gewissen Maße, aber mehr auch nicht. Angst kannst du dir als Frau nicht leisten, sonst lebst du an den prickelnden Seiten des Lebens vorbei. Und solange es nur sechs zerstochene Reifen sind…«
Livia hatte eine Idee, stand entschlossen auf und ging zum Telefon. Fünf Minuten später rief Rosaria zurück und meldete, ihr Auto sei
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