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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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weiblichen Geschlechts ein Name: Wieso sie eigentlich nicht gekommen sei, die Blume, die Fiore, warum er ihnen Fiorilla so oft vorenthielt? Woraufhin derjenige der Männer, der sich bislang standhaft an Marlen festhielt und auch die Lautstärke seiner Stimme nicht mehr unter Kontrolle hatte, galant fragte, wer denn von Blumen spreche, wenn er Rosen im Arm halte. Die anderen, vor allem Roberto, stimmten ihm grölend zu.

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    Auch in Livias Gesicht waren die Spuren der vergangenen Nacht zu sehen. Sie hatte zwar keinen übermäßig dicken Schädel, aber wenig geschlafen und noch immer eine gehörige Dosis Alkohol im Blut. In diesem Zustand war sie ganz besonders kreativ, auch wenn die Bilder, die dabei entstanden, sich am schlechtesten verkauften.
    Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie und Marlen nach Hause gekommen waren, vermutlich zu Fuß. Die Bilder der vergangenen Nacht liefen ineinander wie die Werke der Pflastermaler im Regen. Da waren Jean und Claude, die irgendwann verschwunden waren, da war die dreistöckige Geburtstagstorte mit den fünfzig Zuckerröschen, deren Reste sie, Marlen und Rosaria gemeinsam mit ein paar ebenfalls betrunkenen Männern unter viel Gelächter verspeist hatten. Und sie hatte auch in Erinnerung behalten, daß irgendwann der Name Fiorilla gefallen war und daß Roberto Fiorilla kannte. Alle weiteren Überlegungen stammten aus den frühen Morgenstunden, als die Sonne aufging und Marlen und Livia mit einem starken Espresso, einer Karaffe Wasser und zwei Alka Seltzer auf der Terrasse saßen und abwechselnd den Moment verfluchten und priesen, da sie sich an die Bar begeben hatten. Oder war schon das eine oder andere Glas vorher eins zuviel gewesen? Laut Volksmund sagen Kinder und Betrunkene die Wahrheit. Offenbar war weder Marlen noch Livia so geistesgegenwärtig gewesen, nachzuhaken oder sich zumindest die Namen dieser Schulfreunde Robertos zu merken oder einen von ihnen auszuhorchen. Wie im Nebel hatte jede von ihnen registriert, daß es offenbar einen Draht gab zwischen Fiorilla – Fiore! – und Roberto. Warum auch nicht? Alle Menschen sind Brüder und Schwestern, und im Suff verschwimmen die Grenzen. Livia hatte sich einen der Fünfzigjährigen geschnappt und deftig herumgemacht – zu mehr war es zum Glück nicht gekommen, denn selbst wenn ihr Kopf weiße Flecken – schwarze Löcher? – aufwies, fungierte der Körper immer auch als Erinnerungsorgan und sagte: nix gewesen! Marlen konnte sich noch daran entsinnen, daß sie sich aus der Umarmung des lautstarken Mannes befreit hatte. Daraufhin habe sie sich an Roberto gehalten, half Livia ihrem Gedächtnis nach, dem als Geburtstagskind ein Anrecht darauf zugesprochen wurde, mindestens eine der drei Frauen abzubekommen. Da Livia und Rosaria in einem anderen Sinne seine Untergebenen waren, war die Wahl auf Marlen gefallen. Die sich nur vage daran erinnerte und zugleich, mit dem Abstand, den die Morgendämmerung der Nacht gegenüber einnimmt, überzeugt die These vertrat, Roberto sei Fiorillas Liebhaber, punktum. Sie fand es völlig logisch. Umberto hatte seine Frauen – Fiorilla hatte ihre Männer. Einen Liebhaber mindestens. Und hatte ihn offenbar noch. Was der Sache eine brisante Färbung gab. Was war denn, wenn Fiorilla Umberto doch auf dem Gewissen hatte? Oder Roberto dem Konkurrenten den Garaus gemacht hatte? Ein Eifersuchtsdrama?
    Livia war skeptisch. Sie gab zu bedenken, daß sich bestimmte Leute in einer gewissen gesellschaftlichen Schicht Neapels eben kannten, daran sei überhaupt nichts Ungewöhnliches. Man kannte einander von Festen bei gemeinsamen Bekannten, von hochkarätigen Veranstaltungen, aus dem Foyer der Oper. Vielleicht hatte Roberto als Kunstliebhaber ebenso wie Jean Kontakte zu Umberto gehabt und dabei Fiorilla kennengelernt. Sie nahm sich vor, Jean danach zu fragen, und stellte fest, daß der Gedanke an ihn ihr Blut keineswegs in Wallung brachte. Was war los? Verstimmung wegen mangelnder Aufmerksamkeit? Entzauberung eines Kurzzeitzaubers? Oder einfach das Naheliegendste, die Müdigkeit, der Alkohol? Gegen sieben gingen die Frauen endlich ins Bett.
    Einen Augenblick später klingelte es an der Tür. Die Uhr zeigte zehn. Livia wälzte sich mit schwerem Kopf aus dem Bett. Natürlich, die Tabakfrau. Livia hatte völlig vergessen, daß die dritte Malsitzung anstand. Sie entschuldigte sich und bat die Tabakfrau, es sich einen Augenblick im Wohnzimmer gemütlich zu machen. Eine kurze, kalte Dusche, Klamotten

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