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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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ein Clan gegen den anderen, ganz einfach.« Sie ließ die flache Hand auf das Titelfoto sausen. »Vermutlich geht’s ums Drogengeschäft, mittlerweile dreht sich doch alles darum, wer sie braucht, wer sie verkauft, wer sie verteilt, die Unter-, Mittels-, Zwischenmänner, die Drogenbosse und alle ihre Handlanger, die sitzen in Wirklichkeit am Machthebel. Finden Sie das doch mal heraus, Sie sind die Journalistin, nicht ich, wieviel Prozent der Verbrechen irgendwas mit Drogen zu tun haben, da werden Sie Augen machen.«
    »Hier steht, er war Weinhändler«, sagte Marlen sachlich.
    »Richtig, Weinhändler«, wiederholte die Tabakfrau und kam richtig ins Schimpfen. »Einen offiziellen Beruf hat jeder, das heißt noch gar nichts. Wer mit Alkohol handelt, kann auch mit Drogen handeln. Vielleicht hat er sogar seine Weine verpanscht wie Vorjahren die Winzer in Österreich. Der wird schon wissen, wieso es ihn erwischt hat. Vielleicht kommt die Polizei sogar dahinter. Wenn nicht irgend jemand seine Hand über den Toten hält. Oder über den Mörder. In diesem Land ist alles möglich.«
    Zwischen ihnen auf dem Tresen lag die Tageszeitung. Das Foto auf der Titelseite, eine stark vergrößerte, undeutliche Grau-in-Grau-Aufnahme, war unter ungünstigen Lichtbedingungen entstanden und zeigte lediglich die Silhouette eines Mannes, der auf dem Boden lag. Die Berichterstattung brachte – zumindest für Marlen und Livia – nicht viel Neues. Der Mann war als Inhaber des Weinladens Vini Divini Francesi identifiziert worden, man hatte seine Witwe benachrichtigt, die Kriminalpolizei war fieberhaft auf der Suche nach dem Mörder, Obduktionsergebnisse wurden frühestens für den nächsten Tag erwartet. Der Mangel an Informationen wurde auf den Innenseiten der Zeitung durch Kurzinterviews, Kommentare, Berichte im Umfeld des Fundortes wettgemacht: der Bericht eines der LAES-Führer, Aussagen eines der Natomitarbeiter, Ausführungen über das unterirdische Neapel überhaupt.
    Der Tote unter der Erde war nicht die einzige Schlagzeile an diesem Ostersamstag. Erneut Kirche verwüstet , hieß es auf der unteren Hälfte des Titelblatts. Ein Altar in der Seitenkapelle einer der tausendundeinen Kirchen Neapels war am Tag zuvor ausgeraubt und demoliert worden. Die Journalisten waren wieder einmal schneller informiert worden als die zuständige Behörde. Livia hatte gegen neun Uhr morgens einen eiligen Anruf von Roberto, ihrem Chef, erhalten. Er müsse sich wegen diesem Mist, wie er es ausdrückte, den ganzen Vormittag mit den Leuten von der Kripo und den Carabinieri herumschlagen und bitte daher Livia, direkt zu der Kirche zu fahren, die Verwüstung zu dokumentieren, mit dem zuständigen Pfarrer und mit Nachbarn zu sprechen. Rosaria sei an diesem Wochenende in Viterbo, sie müsse also allein losziehen.
    Livia war empört, die Diebe mußten mit Hammer und Meißel vorgegangen sein, um die Marmorintarsien aus der Balustrade und aus den Treppenstufen herauszuhauen. Der Diebstahl war am Abend zuvor entdeckt worden, lag aber möglicherweise bereits einige Zeit zurück, denn die Kirche war erdbebengeschädigt, seit Jahren geschlossen und sollte in Kürze restauriert und wieder geöffnet werden. Aus der Zeitung erfuhr Livia, daß die Kunsträuber nicht nur brutal vorgegangen waren, sondern auch alles hatten mitgehen lassen, was nicht niet- und nagelfest war: vier Marmorskulpturen, die den Aufgang zum Seitenaltar gesäumt hatten, Kandelaber, Weihrauchschiffchen, Monstranzen, Krüge, Hostienbehälter, diverse Kruzifixe sowie ein Madonnenbildnis. Ein Rundumschlag der größeren Art, die Zeitung sprach blumig von einer »regelrechten Amputation des lebenden Körpers Neapel«.
    »In unserem Land ist alles möglich«, wiederholte die Tabakfrau und schlug erneut auf die Zeitung. »Sehen Sie, hier, sogar die Kirchen, abgemeißelt, ganze Altäre zerstückelt: es ist ein einziges großes Gemetzel.« Sie lachte bitter auf. »Und der Einbruch in meinem Laden ist im Vergleich dazu ein Jungenstreich. Auch wenn es hier wie dort um Geld geht, zwanzig Tuben Zahnpasta oder zwanzig Kruzifixe, ein Schminkständer voller Lippenstifte oder ein Madonnenbildnis – selbst eine Madonna kann das alles nicht mehr verhindern, wenn sie es je gekonnt hat. Die Madonnen werden einfach mitgeklaut, so stopft man ihnen den Mund, damit sie nicht ausplaudern, wer es gewesen ist.«
    Nach diesem Ausbruch sackte die Tabakfrau erschöpft auf ihren Stuhl hinter dem Ladentisch. Sie sah wieder müde

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