Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
Vom Netzwerk:
wiederaufzunehmen. Sie fragte noch mal nach, weshalb er mit seinem doch recht interessanten Job eigentlich unbedingt weg wolle aus Neapel.
    »Ich habe Ihnen ja schon aufgezählt, worüber ich tagtäglich berichte. Entweder man sichert sich selbst eine Scheibe der Macht oder man sieht zu, daß man die Kurve kratzt, solange man nicht zu alt dafür ist. Ich habe keine Beziehungen«, fügte er cool, gleichzeitig aber auch traurig und verächtlich hinzu.
    »Wie vielen gelingt das?«
    »Wirklich wegzugehen? Woanders neu anzufangen? Wenigen. Das Leben ist teuer, überall. Und Arbeit gibt es immer weniger. Auch in anderen Städten.«
    »Und was ist mit denen, die hierbleiben?«
    »Die haben sich daran gewöhnt. Harren aus.«
    »Kein schönes Bild von Neapel«, sagte Marlen.
    »Wer hat denn gesagt, daß Neapel schön ist?« Er legte ihr kurz die Hand auf die Schulter, zog sie dann wieder weg. »Sehen Sie sich doch mal um: Häuser, Kirchen, Brunnen, Statuen – alles verkommt. Rolläden runter, zack, Augen zu, Augen auf, nichts gesehen, nichts geschehen. Das Wasser im Golf von Neapel? Damit möchte ich nicht mal Blumen gießen. Wo es auch nur einen Fetzen Grün gibt, wird er mit einer Schicht Dosen und Plastiktüten vermüllt. Dafür schwimmt Neapel nur so in Kunst und Geschichte. Und was passiert? Ganz nach den Gesetzen der Marktwirtschaft: Was es im Überfluß gibt, verliert an Wert, an materiellem wie ideellem. Es ist ja quasi umsonst. Wußten Sie, daß im Museo Nazionale Abertausende von Ausgrabungsstücken aus etruskischen Gräbern lagern, die noch nicht einmal registriert sind? Und in der Zwischenzeit gammeln die Sachen vor sich hin, Witterung, Vandalismus, Achtlosigkeit. Das kunstgeschichtliche Erbe dieser Stadt vermodert. Touristen kommen kaum, höchstens mal für einen Tag, Napoli ist ihnen zu gefährlich, die bleiben lieber auf Ischia und unter sich. Aber Touristen bringen Geld, Touristen bringen Arbeit. Wo sonst soll denn die Arbeit herkommen, hier in Neapel?« Er fuchtelte mit den Händen in der Luft. »Fischfang? Pizza? Daß ich nicht lache! Das einzige, was hier im Moment Geld einbringt, sind Diebstahl, Drogen, Politik. Wer hier jung ist, hat drei Möglichkeiten: er wird protegiert, haut ab oder wird kriminell. Der Charme der Verkommenheit – ein schlechter Witz! Die Leute verrotten genauso wie die Stadt drumherum. Innerlich, meine ich. Und genau das kann man jeden Tag im Lokalteil nachlesen.«
    »Und Sie selbst?« fragte Marlen vorsichtig.
    »Was glauben Sie wohl?« In seinem Blick lagen Trotz, Trauer und Ekel. »Ich schreibe darüber. Ich finde Worte für diese Scheiße. Großartig, was?«
    Er zündete sich eine Zigarette an, sog den Rauch tief ein. »Lassen wir das. Zurück zum Fall Cacciapuoti. Da haben wir wenigstens etwas in der Hand.«
    Er faßte zusammen, was er herausgefunden hatte. Umbertos Mutter war früh gestorben, und sein Vater war ein angesehener Prokurist bei einer namhaften neapolitanischen Bank gewesen. Umberto selbst hatte viele Jahre den wilden Kerl markiert und eine Stelle in der Bank, wo der Vater arbeitete, dem Banco di Napoli, ab gelehnt. Statt dessen hatte er ausgedehnte Reisen nach Lateinamerika unternommen, eine Weile mit Kunstgewerbe aus Guatemala, Peru, Mexiko gehandelt, bunte Taschen, Gürtel, Portemonnaies, Tukane aus Stoff, Silberschmuck, Hängematten. In dieser Zeit war er natürlich viel gereist. Dann waren die wilden Jahre vorbei. Umberto absolvierte ein Wirtschaftsstudium, heiratete, stieg ein ins Weingeschäft, sein Vater starb, das Ehepaar zog nach Posillipo.
    »In Mittelamerika war Umberto nicht allein unterwegs«, sagte Giorgio bedeutsam. »Sie waren zu dritt.«
    Auf die Fährte mit Mittelamerika hatte ihn ein Pförtner der Bank gebracht, in der der Vater gearbeitet hatte. »Pförtner sind hierzulande in jeder Hinsicht Schlüsselfiguren. Sie hüten die Schlüssel zu den einzelnen Wohnungen oder Häusern sowie die Geheimnisse über die Leute, die dort wohnen. Oft wissen sie mehr als die Leute selbst, weil sie alles beobachten, immer da sind, unparteiisch, aber durchaus bestechlich.«
    Natürlich hatte der ältere Mann Zeitung gelesen, sich an die Signori Cacciapuoti senior und junior erinnert, und nach Erhalt von zwanzigtausend Lire auch daran, daß der junge Signor Cacciapuoti damals mit zwei Freunden nach Mittelamerika gereist war. Er wußte auch, daß die drei Freunde gemeinsam ein Konto bei der Bank hatten. Für einen weiteren »Unkostenbeitrag« von hunderttausend

Weitere Kostenlose Bücher