Der Tote vom Kliff
was mitgenommen. Der war ziemlich unten. Ich
glaube, er hat auch Tabletten geschluckt.«
»Was für welche?«, fragte Christoph Johannes
dazwischen.
»Woher soll ich das wissen? Wir waren ja nicht
befreundet. Nicht direkt. Uns verband lediglich das gemeinsame Interesse für
die Kollegen in unseren Betrieben.«
»Haben Sie am darauffolgenden Morgen noch miteinander
gesprochen?«
»Nee. Da war Hubert schon weg. Ich war ziemlich
überrascht. Ohne jede Verabschiedung. Der muss in Panik gewesen sein. Das
verwundert einen auch nicht, wenn man überlegt, dass er jemanden umgebracht
hat.«
Lüder hatte immer noch nichts unternommen, um das
Problem seines Girokontos zu lösen. Er hatte angelegte Gelder umgebucht und
sich geärgert, dass ihm dadurch weitere Kosten für Gebühren und »Strafzinsen«
entstanden waren. Es galt nicht nur, den laufenden Haushaltsbedarf der Familie
zu decken, besondere Ausgaben wie die Feier anlässlich seiner Promotion zu zahlen,
er musste auch die nicht unerheblichen Reisekosten und Auslagen vorstrecken,
die durch die Ermittlungen in diesem Fall entstanden. Und wenn er noch mehr
reisen müsste, könnte es an die Grenze der ihm zur Verfügung stehenden Mittel
gehen. Im Zweifelsfall musste er seine Eltern anpumpen. Es grenzte fast an
Ironie, dass Dr. Laipple durch seinen kindischen »Racheakt« die Aufklärung
seiner eigenen Ermordung behinderte.
Sie hatten nach der Vernehmung von Lothar Balzkowski
noch zu dritt über den Fall diskutiert. Es gab vieles, was für die von
Oberstaatsanwalt Brechmann vertretene These sprach, dass Hubert Fixemer der
Mörder Lew Gruenzweigs war. Hatte der Neumünsteraner geglaubt, dadurch den
Verkauf seines Arbeitgebers abwenden zu können? Aber das war nicht logisch, da
stets vom Interesse der Chinesen gesprochen wurde, und bisher gab es keine
Verbindung zwischen den Asiaten und Gruenzweig.
»Die gestohlenen Papiere könnten uns vielleicht
Aufschluss geben, welche gemeinsamen Interessen Gruenzweig und Laipple verfolgten«,
sagte Lüder.
»Und die schwäbischen Hunde sollten uns erklären,
welche Rolle sie spielen«, ergänzte Große Jäger.
»Du meinst Vater und Sohn Hundegger«, sagte Christoph
Johannes.
Große Jäger zog an seiner Zigarette. »Sagte ich doch.«
»Wir könnten uns auch Buurhove vornehmen«, sagte
Lüder. »Der Unternehmensberater ist offensichtlich im Auftrag der Chinesen
unterwegs.«
Große Jäger kratzte sich die Bartstoppeln. »Weiß
jemand, was Unternehmensberater sind?«, fragte er.
Lüder nickte. »Die Eunuchen der Wirtschaft. Sie wissen
alles und können nichts. Aber zurück zu unserem Fall. Wir haben noch zwei Eisen
im Feuer. Der von uns vermutete Deal zwischen Laipple und Gruenzweig und die
Hundeggers. Ich werde jetzt nach Hamburg fahren und versuchen, einen oder beide
Hundeggers zu finden.«
»Ich komme mit«, verkündete Große Jäger und griff zum
Telefon, das sich mit einem Schnarren meldete.
»Wen wollen Sie sprechen?«, fragte er ungläubig und
hielt die Hand über die Muschel. Mit der anderen Hand machte er eine
Wischbewegung vor seiner Stirn. »Dem bekommt schon nach zwei Tagen die Kieler
Luft nicht mehr.« Er reichte den Hörer an Lüder weiter. »Der Scheiß-Starke. Der
will Dr. Lüders sprechen.«
Lüder übernahm den Hörer. »Dr. Lüders.« Mit einem
breiten Grinsen sah er Große Jäger an, der für einen Augenblick völlig perplex
schien.
»Starke. Ich wollte hören, wie weit Ihre Ermittlungen
vorangekommen sind.«
»Ich werde Sie informieren, sobald diese konsolidiert
sind.«
»Ich erwarte Ihren Bericht, Herr Dr. Lüders.«
»Sie hören von mir, Herr Dr. Starke.«
Nachdem Lüder den Hörer auf die Gabel zurückgelegt
hatte, sah er Große Jäger an. Dem stand die Ratlosigkeit ins Gesicht
geschrieben.
»Doktor?«, fragte er gedehnt.
Lüder nickte. »Seit gestern. Aber für dich bin ich
weiterhin Lüder.« Er sah Christoph Johannes an. »Von mir aus gilt das nicht nur
für sympathische und fähige Oberkommissare.«
Christoph reichte ihm die Hand.
»Donnerwetter«, sagte Große Jäger immer noch
überrascht. »Damit haben Sie mich echt vom Sockel geholt.«
Alle drei lachten herzhaft, weil der Oberkommissar
standhaft beim »Sie« blieb.
»Ich werde mit Christoph noch einmal alle
kriminaltechnischen Ergebnisse durchgehen«, sagte Lüder zu Große Jäger. »Du
kannst währenddessen versuchen, herauszufinden, wo die beiden Hundeggers in
Hamburg geblieben sind.«
Es war dem Oberkommissar anzusehen, dass
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