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Der Tote vom Kliff

Der Tote vom Kliff

Titel: Der Tote vom Kliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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ihm diese
Aufgabenteilung zusagte.
    Der Regen der letzten Tage war einem wechselhaften
Aprilwetter gewichen. Wolken jagten über den Himmel, vom Westwind getrieben,
und bildeten immer neue Formationen. Zwischen den unterschiedlichsten
Schattierungen aus bedrohlichem Grau und hellem Weiß riss die Wolkendecke
gelegentlich auf und ließ einen Blick auf einen tiefblauen Himmel zu.
    »Nordfriesland hat alles«, sagte Große Jäger, der
Lüders Blick bemerkt hatte. Lüder wunderte sich schon lange nicht mehr, dass
der Oberkommissar einen siebten Sinn zu besitzen schien und Gedanken lesen
konnte.
    »Wo gibt es sonst alle Wetter auf einmal?«, fuhr Große
Jäger fort. »Ich wäre nicht verwundert, wenn es nur auf einer Straßenseite
regnen würde. Allerdings Schnee … den kennen wir nur aus Erzählungen. Klaus
Jürgensen mit seinem ewigen Schimpfen über die Westküste würde jetzt sagen,
dass Petrus ein Einsehen hat und deshalb das ganze Elend hier oft im dichten Nebel
verpackt. Aber woher soll der wissen, wie schön das ist? Ist man auch gut so,
dass die meisten das nicht wissen, sonst würden wir hier nur noch Stehplätze
haben. Stellen Sie sich vor, wenn die alle kämen, und jeder bringt einen Kasten
Bier mit. Dann würden unsere Küsten allein vom Gewicht absaufen.«
    Lüder konzentrierte sich auf die Straße und ließ Große
Jäger ungehindert parlieren. Als er wieder einmal die Geschwindigkeit
reduzieren musste, wechselte Große Jäger das Thema.
    »Das ist ein leidiges Unterfangen. Nordfriesland ist
einer der wenigen Landkreise in Deutschland ohne Autobahn. Nehmen Sie dieses
Stück hier zwischen Husum und der Eiderabdämmung bei Tönning. Da quält sich der
ganze Verkehr auf der gewundenen und engen Uraltstraße. Kein Wunder, dass in
Nordfriesland weit mehr Menschen auf den Straßen sterben als durch
Gewalttaten.« Große Jäger schlug sich mit der Faust gegen die Brust. »Schön.
Das liegt sicher auch an der besonders guten Polizei hier. Und wenn Sie jetzt
auch noch nach Husum kommen, dann haben die Bösen überhaupt keine Chance mehr.«
    Lüder lachte hell auf. »Das war jetzt aber ein zu
plumper Versuch, mein Lieber.«
    Große Jäger klatschte in die Hände. »Man kann es ja
mal probieren.« Bald darauf war er eingeschlafen.
    Lüder überquerte die Eiderabdämmung, nachdem kurz
zuvor das Multimar Wattforum zur Rechten aufgetaucht war. Er nahm sich vor,
diese einmalige Präsentation des Naturerlebnisraums Wattenmeer mit der Familie
zu besuchen. Selbst die Jüngste würde ihren Spaß an den Aquarien haben, wo man
durch dicke Scheiben am Leben auf dem Meeresboden teilhaben konnte. In Heide
begann die Autobahn, und er konnte endlich beschleunigen. Auf der Hochbrücke
über den Nord-Ostsee-Kanal genoss er den weiten Blick über das Land. Das
wiederholte sich auf der nächsten Hochbrücke über die Stör. Bei Elmshorn wurde
die Autobahn voll. Im Speckgürtel rund um Hamburg wohnten viele Menschen, für
die das Pendeln in die Weltstadt an der Elbe etwas Alltägliches war.
    Lüder schwamm im Verkehrsstrom mit, stellte aber doch
fest, dass ihm das Wissen der Einheimischen fehlte, an welcher Stelle man
welche Fahrspur zum optimalen Vorwärtskommen wählen musste. So hatte er sich am
Dammtorbahnhof falsch eingeordnet und wurde von seinem Nebenmann mit einem
wütenden Hupen bedacht. Als ihn der Kleinwagen überholte, glaubte Lüder von den
Lippen des anderen »Du Kieler Trottel« ablesen zu können.
    »Komm du nur nach Husum«, schimpfte Große Jäger, der
durch das Hupen aufgewacht war. »Da werde ich dich schon im Kreis rumjagen. Du
kommst aus dem Gewirr unserer Einbahnstraßen erst wieder heraus, wenn du
Rentner bist.«
    Wenig später hielten sie vor dem Hotel Vier
Jahreszeiten an Hamburgs Binnenalster, das sicher immer noch zu den führenden
Hotels der Welt gehört, selbst wenn man von gewissen Abstrichen an der Qualität
murmelt, seit es nicht mehr inhabergeführt wird.
    Der Wagenmeister in seiner repräsentativen und
zugleich wetterfesten Uniform näherte sich zögernd dem BMW . Ihm war anzumerken, dass er sich nicht sicher war, ob
Hotelgäste vorgefahren waren oder nur jemand den reservierten Parkraum vor dem
Eingang nutzen wollte. Als der Hotelmitarbeiter nahe genug herangekommen war
und Große Jäger die Scheibe abgesenkt hatte, war dem Wagenmeister anzumerken,
zu welcher Entscheidung er gekommen war.
    »Diese Plätze sind für Gäste reserviert«, sagte er
höflich, aber bestimmt.
    »Und wenn wir nun Gäste

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