Der Tote vom Kliff
legte die Stirn in Falten. »Das ist noch
ein Kind. Der ist doch erst vierunddreißig.«
»In dem Alter haben Profisportler ihre Kariere lange
beendet.«
Große Jäger klopfte sich gegen die Brust. »Männer und richtige Kriminalisten fangen da erst an, in die Blüte zu kommen.« Dann wurde er
abgelenkt, weil er einen Gesprächspartner in der Leitung hatte und bat, man
möge ihm ein Profil von Hubert Fixemer zukommen lassen.
Obwohl es dem Oberkommissar viel zu lange dauerte,
erhielten sie die gewünschten Informationen, als sie sich der Rader Hochbrücke
bei Rendsburg näherten.
»Hubert Fixemer ist achtundvierzig, verheiratet und
hat zwei Kinder. Er ist Betriebsratsvorsitzender der Maschinenfabrik Noskemeier
GmbH in Neumünster«, fasste Große Jäger seine Informationen zusammen.
»Noskemeier? Davon habe ich schon gehört«, sagte Lüder
halblaut und beschleunigte, als sie die Geschwindigkeitsbeschränkung nach der
Hochbrücke hinter sich gelassen hatten. Die Tachoanzeige näherte sich der Marke
zweihundertfünfzig, und Große Jäger hatte sein unentwegtes Brabbeln
eingestellt.
»Keine Sorge«, sagte Lüder grinsend. »Im vergangenen
Jahr, seit unserem letzten Einsatz in Norderstedt, habe ich im Personenschutz
gearbeitet.«
»Aber doch nur am Schreibtisch.«
»Ich habe dennoch das Angebot genutzt und ein
Fahrtraining absolviert. Das gilt auch für die Nahkampfausbildung, Schießtraining
und Selbstverteidigung.« Er stieß Große Jäger vorsichtig in die Seite. Der
Oberkommissar starrte stur geradeaus.
»Sie sollten bei diesem Tempo die Hände besser am
Steuer lassen«, sagte er, und seine Stimme klang ein wenig gepresst.
Wenig später hatten sie das Einfamilienhaus in der
Jahnstraße erreicht. Die ruhige Nebenstraße lag unweit eines kleinen
Industriegebiets in Neumünsters Norden und war in ihrer beschaulichen Lage
vermutlich nur Einheimischen bekannt. Eine Reihe weiß geputzter Einfamilienhäuser,
deren Giebel mit Schindeln verkleidet waren, säumten die Straße. Vor dem
Eingang von Fixemers Haus stand eine Gruppe von drei Männern, denen mit lässig
über die Schulter gehängten Fotoapparaten der Pressevertreter von Weitem
anzusehen war. Sie rauchten und unterbrachen ihre Unterhaltung, als sich Lüders
Wagen näherte.
Die beiden Beamten hatten das Fahrzeug noch nicht
verlassen, als sich die drei näherten.
»Polizei?«, fragte einer der Reporter.
»Sieht eher aus wie der Staatsanwalt«, mutmaßte ein
zweiter, wurde aber vom dritten korrigiert. »Brechmann ist zuständig. Den kenn
ich.«
Bevor Lüder es verhindern konnte, wurden er und Große
Jäger fotografiert. Der Oberkommissar trat auf einen der Reporter zu, streckte
seinen Finger aus und bohrte damit zwischen den Rippen des Mannes, dass der
schmerzhaft zusammenzuckte. »Wehe dir, wenn ich unsere Bilder in der Zeitung
finde«, drohte er.
»Ist schon gut, Mann«, antwortete der Reporter und
wich zwei Schritte zurück.
»He, schon mal was von freier Presse gehört?«, murrte
dessen Kollege.
»Die ist gut und wichtig«, erwiderte Große Jäger,
»kommt aber gut ohne unsere Fotos aus. Verstanden?«
Dem Ganzen war ein Mann mit deutlich gelichtetem
Haupthaar gefolgt, der einem VW -Golf
entstiegen war. Er gab zunächst Lüder, dann Große Jäger die Hand.
»So sieht man sich wieder«, begrüßte Große Jäger
Hautkommissar Thiel, der sie bereits erwartete.
Es bedurfte noch einiger harscher Worte des
Oberkommissars, bis die drei Reporter sich davon überzeugen ließen, dass sie
nicht mit in das Innere des Hauses vordringen konnten.
Sie wurden von einer schlanken Frau mit auffallend
spitzer Nase empfangen.
»Lange«, stellte sie sich vor. »Ich bin die Schwester
von Hubert Fixemer.« Sie ging durch die Diele, die mit einer kleinen Garderobe,
einem Ablagetisch und einer stattlichen Sammlung von Schuhen vollgestellt war,
ins Wohnzimmer voran.
Familie Fixemer schien es mit der Einrichtung
konventionell zu halten. Warme Holztöne und geschmackvoll zusammengestellte
Repliken an den Wänden gaben dem Raum nicht nur eine persönliche Note, sondern
auch den Ausdruck der Heimeligkeit. Wenn man es mag, ergänzte Lüder für sich.
Vier Personen sahen den drei Beamten entgegen. Eine
blonde Frau, sie mochte etwa vierzig sein, mit dem Hang zur Rundlichkeit und
einem ersten Ansatz eines Doppelkinns tupfte sich verstohlen die rot
geränderten Augen.
»Meine Schwägerin, Frau Fixemer«, stellte die
Schwester vor und zeigte dann auf das sehr schlanke Mädchen
Weitere Kostenlose Bücher