Der Tote vom Kliff
Dr. Gisbert Hundegger, überlassen.
Hubert hat gehört, dass der Konsul im Moment auf Sylt ist. Deshalb ist er
hingefahren.«
»Hat Ihr Mann von seiner Begegnung mit dem alten Herrn
Hundegger berichtet?«, fragte Lüder.
Frau Fixemer tupfte sich erneut die Augen ab. »Nein«,
sagte sie dann leise. »Er hat nur gesagt, es sei alles so sinnlos. Mit denen
könne man nicht vernünftig reden.«
Lüder räusperte sich. »Wissen Sie, warum Ihr Mann
einen Selbstmordversuch unternommen hat?«
Die Frau schluchzte, dann begann sie zu weinen. Sie
wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt. Mit einem vorwurfsvollen Blick auf
Lüder nahm Frau Lange ihre Schwägerin in den Arm und fuhr ihr sanft übers Haar.
»Die haben Hubert fertiggemacht auf Sylt«, sagte
Armbruster.
»Wissen Sie Näheres?«, wandte sich Lüder an den
Gewerkschaftler.
»Hmh«, antwortete der vielsagend, ohne auf
Einzelheiten einzugehen.
»Kennen Sie Lew Gruenzweig?« Lüder sah Armbruster an.
»Wer kennt diese Hyäne nicht?«
»Könnte der ein Interesse an Hundegger-Industries
gehabt haben?«
»Der dreht nur das ganz große Rad«, erwiderte Armbruster
schnell. »Für einen Deal wie Hundegger kommt der nicht rüber von Amerika. Das
sind für Gruenzweig nur kleine Fische, obwohl bei Hundegger insgesamt
viertausend Arbeitsplätze gefährdet sind.«
Lüder erkannte, dass er in diesem Haus keine weiteren
Informationen erhalten würde. Entweder wusste man nichts, oder man wusste zu
viel und hüllte sich deshalb in Schweigen.
An der Haustür wurden sie erneut von den drei
Reportern bedrängt, die sie mit Fragen bestürmten, Vermutungen äußerten und von
den drei Beamten eine Bestätigung der abwegigsten Theorien zu hören versuchten.
Lüder passierte die Gruppe und setzte sich mit den
beiden anderen in seinen BMW . Erst
nachdem Große Jäger noch einmal ausgestiegen war und in barschem Ton die
Reporter angesprochen hatte, ließen die von Lüders Fahrzeug ab und entfernten
sich auf ihre Warteposition vor dem Hauseingang.
»Mit ein wenig Phantasie könnte man sich vorstellen,
dass Fixemers Gespräch mit Hundegger einen anderen Verlauf genommen hat, als es
sich der Betriebsrat vorgestellt hatte«, äußerte Große Jäger eine Vermutung.
»Vielleicht hat Hundegger erzählt, dass die Verhandlungen mit Gruenzweig so
weit gediehen sind, dass das Ende des Neumünsteraner Betriebs besiegelt ist.
Daraufhin ist Fixemer ausgerastet und hat Gruenzweig auf symbolträchtige Weise
ins Jenseits befördert. Schließlich haben wir glaubwürdige Zeugen, die ihn als
den Mann identifiziert haben, der sich auf dem Anleger in Rantum zu schaffen
gemacht hat. Und von dort stammt nachweislich das Tatwerkzeug. Ich halte es für
dringend geboten, Hubert Fixemer zu vernehmen.«
Helge Thiel wiegte den Kopf. »Das wird noch eine Weile
dauern, wenn es überhaupt je möglich sein wird.«
Bisher hatten sie noch keine Auskunft darüber
erhalten, auf welche Weise Fixemer den Selbstmordversuch unternommen hatte.
Lüder fragte Hauptkommissar Thiel danach.
»Der Mann war neben seinen vielfältigen Engagements in
Vereinen und Verbänden auch Mitglied im Schützenverein Neumünster von 1869. Er
hat, nachdem sein Bild in der Tagesschau gezeigt worden war, gar nicht das Ende
der Sendung abgewartet, sondern ist wortlos aufgestanden. Kurz darauf hörten
die Mitglieder der Familie einen Knall. Als sie in das Zimmer des Vaters
stürzten, sahen sie ihn. Es war ein bestürzender Anblick. Fixemer hatte sich
mit einem Gewehr durch das Kinn in den Kopf geschossen.«
»Und überlebt?«, fragte Große Jäger.
Thiel holte tief Luft, bevor er antwortete. »Er liegt
auf der Intensivstation des Friedrich-Ebert-Krankenhauses. Wenn er es überleben
sollte, ist nicht absehbar, wie gravierend die Folgeschäden sein werden.«
Lüders Gedanken schweiften für einen Moment ab. Warum
werde ich immer wieder mit den tiefsten Abgründen menschlichen Daseins
konfrontiert?, dachte er und wurde abgelenkt, als sich sein Telefon meldete.
Auf dem Display sah er, dass ihn jemand vom Familienanschluss zu erreichen
versuchte. Er betätigte die rote Taste und nahm das Gespräch nicht an.
Dann berichtete Thiel von den bisherigen
Erkenntnissen, die die Sonderkommission gewonnen hatte. Es gab eine Reihe von
Hinweisen, teilweise anonym, zum anderen von Leuten, denen anzumerken war, dass
sie sich wichtigmachen wollten. Wenige der eingegangenen Tipps versprachen,
sich zu ergiebigen Informationen zu entwickeln. Trotzdem mussten die
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