Der Tote vom Kliff
dieser
genauso wenig liebte wie seinen ersten – Wilderich Remigius Große Jäger.
»Friedemann Laipple – Vorstandssprecher der großen
Bank, die einer der wenigen deutschen Global Player rund um den Erdball ist«,
erklärte Christoph Johannes.
»Wenn das wahr ist, was in der Zeitung stand, dann
verdient der Mann etwa siebentausend Euro«, überlegte Große Jäger laut.
»Da kommen wir Beamten nicht hin«, mischte sich
Jürgensen ein, um in ein heftiges Niesen zu verfallen.
Christoph Johannes lachte. »Ich habe nicht
nachgerechnet. Da dürften aber noch ein paar Euro durch Bonuszahlungen, Aktienoptionen
und Einkünfte aus anderen Tätigkeiten dazukommen, wie beispielsweise
Aufsichtsratstantiemen.«
»Nicht schlecht.«
»Nun werde nicht neidisch«, beschwichtigte Christoph
Johannes. »Selbst dann nicht, wenn Laipple die siebentausend Euro pro Stunde
bekommt.«
»Damit kann man sich so ein Haus wie dieses leisten.
Und die Heizkosten bezahlen«, schloss Große Jäger und wischte sich mit dem
Handrücken über die Stirn, weil es mittlerweile sehr warm in der Schwimmhalle
geworden war.
»Wo ist eigentlich das K1?«, fragte Paulsen, als sie
gemeinsam das Atrium verließen.
»Seitdem die Dobermann weg ist, geht es bei der
Mordkommission in Flensburg drunter und drüber. Der Scheiß-Starke hat das nicht
im Griff«, erklärte Große Jäger ungefragt.
»Wer?«, fragte Paulsen, der vorausgegangen war.
»Kriminaldirektor Dr. Starke von der
Bezirkskriminalinspektion in Flensburg«, erklärte Christoph Johannes und wandte
sich dann an den Sylter Kollegen. »Die haben gerade einen dicken Fall in der
Nähe von Schleswig, der auch durch die Presse gegangen ist.«
»Der Tote an der Autobahn?«
»Genau. Und für Frauke Dobermann gibt es noch keinen
Nachfolger.«
»Die hat ja einen furiosen Einstand in Hannover
gehabt. Die beißt sich durch – wie ihr Name schon sagt«, mischte sich Große
Jäger ein. »Ganz schön heftig, dass sie jetzt sogar auf einer Todesliste steht.
Wenn das dort so weitergeht, müssen wir wohl irgendwann nach Hannover und
aushelfen. Dobermanns Fall ist ja bundesweit durch die Medien gerauscht und war
tagelang Thema im Fernsehen. Dagegen arbeiten wir richtig im Verborgenen.«
Er bekam von Christoph Johannes einen sanften Stoß in
den Rücken. »Das trifft auf dich nicht zu. Du bist sicher ebenso bekannt wie
Frauke Dobermann. An die Arbeit, Wilderich. Hast du das Seil gesehen, mit dem
die Champagnerflaschen um Gruenzweigs Hals geknotet waren?«
»Weiß, Kunststoff, etwa fingerdick«, konstatierte
Große Jäger. »Für eine Wäscheleine zu stark.« Er sah den Leiter der
Spurensicherung an.
Jürgensen bückte sich und nahm ein Ende in seine
behandschuhte Hand. Vorsichtig bog er das Tau hin und her. Es war ausgesprochen
elastisch.
»Wo benutzt man so etwas?«, überlegte Große Jäger
laut. »Es laufen wenig Leute mit einem solchen Strick durch die Gegend. Das
würde uns sicher weiterhelfen, wenn wir das wüssten.«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Jürgensen, »aber es
könnte beim Segeln Verwendung finden. Das wäre auch eine Erklärung für die
merkwürdigen Knoten, mit denen die Flaschenhälse befestigt waren. Sie sind alle
ebenmäßig.«
»Das ist ein erster Anhaltspunkt, den wir verfolgen
könnten«, stimmte Christoph Johannes zu und sah zum offenen Glasschiebelement,
das ins Wohnzimmer führte. Dort war der uniformierte Polizist erschienen, der
sie am Zugang zum Grundstück begrüßt hatte.
»Wir haben draußen einen festgehalten«, erklärte der
Beamte und wies mit dem Daumen über die Schulter. »Der hat so merkwürdig
geguckt, nachdem er langsam vorbei ist. Dann hat er hinten am Ende der Straße
gewendet. Wollen Sie mal mit ihm schnacken?«
»Gern«, sagte Christoph Johannes und ging, gefolgt von
Große Jäger und Paulsen, hinaus.
»Ich kenn den vom Ansehen«, fügte der Streifenbeamte
auf dem Weg durchs Haus noch an. »Der treibt sich oft auf der Insel rum. Mal
hier – mal da.«
Ein großer, sportlich durchtrainiert Mann lehnte sich
lässig gegen die Pforte. Er trug eine helle Leinenhose, hatte einen durch einen
Designer kunstvoll zerknautschten Lederblouson etwa zur Hälfte geöffnet, und
durch die ebenfalls oben offenen Knöpfe seines hellblauen Hemdes schimmerten
dichte blonde Brusthaare. Der gepflegte Dreitagebart im kantigen Gesicht, die
sorgsam gestutzten Augenbrauen und eine in die künstlich erblondeten Haare
hochgeschobene Sonnenbrille verliehen ihm auf den ersten
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