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Der Tote vom Kliff

Der Tote vom Kliff

Titel: Der Tote vom Kliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Lüder die
Leitung des Dezernats übernommen hätte, aber der weigerte sich, das zweite
Dezernat unter Leitung des Kriminaldirektors zu verlassen, das für Ermittlungen
und die innere Sicherheit zuständig war und in dem er Spezialaufgaben
erledigte.
    Lüder war am Ende der Seite angekommen und blätterte
um. Bevor er weiterlas, wanderte sein Blick zu dem Bild an der Ecke seines
Schreibtischs. Von dort lachten ihn Margit und die vier Kinder an. Noch hatten
er und seine Partnerin keine Zeit zum Heiraten gefunden, obwohl die Kleinste,
ihre gemeinsame Tochter Sinje, bald drei Jahre alt wurde. Sie stand neben
Jonas, dem Enfant terrible der Patchworkfamilie. Jonas war der Sohn aus Lüders
geschiedener Ehe, während Margit Thorolf und Viveka mitgebracht hatte.
    Margit genoss es, dass Lüder derzeit im Innendienst
tätig war, nachdem er allzu oft in der Vergangenheit gefährlichen Einsätzen
ausgesetzt gewesen war. Jonas hingegen zeigte offen seine Enttäuschung, dass
Lüder sich gegenwärtig in seiner Arbeit in nichts von Beamten in der
öffentlichen Verwaltung unterschied.
    Lüders Zeigefinger wanderte auf der nächsten Seite
abwärts, bis er an einer Stelle verharrte. Instinktiv schüttelte Lüder den Kopf
und blätterte zurück, um die Passage auf der Vorseite noch einmal zu lesen, als
er durch das Telefon abgelenkt wurde.
    »Diether«, vernahm er die forsche Stimme des
Oberarztes am Institut für Rechtsmedizin der Christian-Albrechts-Universität.
»Sie haben von der Ermordung des amerikanischen Milliardärs auf Sylt gehört?
Wie ich Sie kenne, möchten Sie gern das Ergebnis der Obduktion von Lew
Gruenzweig wissen.«
    »Zumindest ein paar ergänzende Details«, bestätigte
Lüder, obwohl er mit diesem Fall nicht betraut war und über nicht mehr
Informationen verfügte, als er den Medien hatte entnehmen können. »Den
wichtigsten Punkt kenne ich bereits. Der Mann ist tot.«
    »Exitus totalis.« Der Rechtsmediziner ließ ein
herzhaftes Lachen hören. »Tod durch Herzversagen. So drücken es zumindest die
Laien aus, zu denen leider auch manchmal Angehörige meines Berufsstandes
gehören.«
    Lüder wusste, dass die Rechtsmediziner »Herzversagen«
als einen finalen Zustand betrachteten, es aber darauf ankam, zu klären, warum
das Herz den Dienst versagte.
    »Gruenzweig ist ertrunken, nachdem es zunächst so
ausgesehen hatte, als wäre er erstickt.« Der Arzt legte eine Kunstpause ein.
Nachdem Lüder jedoch schwieg, fuhr er fort: »Bei dem Toten wurde zunächst durch
aspirierte Wassertropfen ein Laryngospasmus, ein Stimmritzenkrampf, ausgelöst.
Die Folge ist eine Blockade der Atemwege. Wussten Sie, dass etwa bei jedem
zehnten Wasseropfer ein trockenes Ertrinken vorliegt, weil die Stimmritzen
nicht wieder aufmachen? Vielleicht wäre das bei unserem Toten auch der Fall
gewesen, wenn er nicht …«
    »Da ich mich frage, warum er sich nicht gewehrt hat,
als man ihm die Champagnerflaschen um den Hals gehängt hat, liegt die Vermutung
nahe, dass Gruenzweig zuvor sediert wurde«, sagte Lüder und verschwieg, dass er
diese Tatumstände ebenfalls nur aus den Nachrichten kannte. Die Zeitungen
hatten noch nicht darüber berichtet.
    »Oh – ein Kollege«, spottete Dr. Diether. »Sie haben
recht. Dem Mann wurde Rohypnol verabreicht. Das ist ein Flunitrazepam und
gehört zu den Benzodiazepinen. Es ist mit Diazepam verwandt, das der Laie als
Valium kennt. Wir sprechen hier über die Gruppe der Hypnotika und
medikamentösen Schlafmittel. Das Gefährliche am Rohypnol ist, dass es fast
zehnmal so stark wie das Diazepam ist. Daher darf es in der Regel auch nur auf
speziellem Betäubungsmittelrezept verordnet werden. Das Zeug riecht und
schmeckt nicht. Deshalb hat der Hersteller dem Medikament einen Farbstoff
beigesetzt, der aber erst nach zwanzig Minuten sichtbar wird. Außerdem müssen
wir davon ausgehen, dass das Mittel ›unsauber‹ von anderen Laboren hergestellt
wird.«
    »Kann man es mit den sogenannten K.-o.-Tropfen
vergleichen, die häufig späteren Vergewaltigungsopfern verabreicht werden?«
    Dr. Diether atmete hörbar auf. »Leider ist es so. Das
Mittel wirkt insbesondere in Verbindung mit Alkohol teuflisch. Die Opfer,
sofern sie überleben, haben keine Erinnerungen an die an ihnen vollzogenen
Verbrechen. Man muss es sich wie ein extrem starkes Schlafmittel vorstellen.
Außerdem ist es muskelrelaxierend. Es entspannt die Muskulatur, und Sie können
mit dem willen- und wehrlosen Opfer verfahren, wie Sie

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