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Der Tote vom Kliff

Der Tote vom Kliff

Titel: Der Tote vom Kliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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postulieren?«, entgegnete Dr. Hundegger mit einer Gegenfrage.
»Der Unternehmer kann nicht die Verantwortung für die persönliche Lebensführung
von anderen übernehmen, mögen sie sich auch sehr für das Unternehmen eingesetzt
und verdient gemacht haben. Dafür gab es aber auch stets guten Lohn. Und ein
Unternehmen kann weder heute noch in der Zukunft für die Verdienste aus der
Vergangenheit einstehen. Dafür muss der Einzelne individuell sorgen. Außerdem
gibt es die große Solidargemeinschaft des Staates. Der Unternehmer ist heute
nicht mehr in der Lage, Daseinsvorsorge für seine Mitarbeiter zu betreiben.
Dagegen spricht die Gesetzgebung des Staates. Der Fiskus ist so gierig, dass er
alles restriktiv behandelt. Die Beamten sollten einmal darüber nachdenken,
warum das Finanzamt nur in sehr begrenztem Maße zulässt, dass Mitarbeitern
Firmenrabatte gewährt werden, und mehr als kleinlich vorschreibt, wer von den
bei einem Automobilunternehmen Beschäftigten wie oft ein neues Auto zu
Vorzugskonditionen erwerben darf. Selbst bei der Weihnachtsfeier schreibt der
Fiskus vor, wie viel der Einzelne essen und trinken darf. Nein! Nicht der
Unternehmer ist der Bösewicht, sondern die Politik. Nehmen Sie Beispiele wie
Ökosteuer oder die Frage, mit welchem Anteil der Staat an den hohen
Energiekosten beteiligt ist, sei es mit der hohen Mineralölsteuer oder der
Lizenzgebühr beim örtlichen Stromnetz. Es ist billig, auf die Unternehmer zu
schimpfen, während der Moloch Staat immer gieriger in die Taschen seiner Bürger
greift. Und Sie, meine Herren, sind Repräsentanten dieses Staates – nicht ich.«
    Die beiden Polizisten wechselten einen raschen Blick,
den auch Dr. Hundegger mitbekam. Ein Lächeln huschte über sein Antlitz.
    Es ist sehr einfach, dachte Lüder, immer nach der
Verantwortung des anderen zu rufen, sei es der Staat oder der Unternehmer.
Andererseits verlangen die Arbeitnehmer nicht mehr als einen gerechten Anteil
an dem, was Kapital und Arbeit gemeinsam geschaffen haben. Aber wie definiert
man Gerechtigkeit? Es hatte keinen Sinn, dieses Thema weiter mit Dr. Hundegger
zu diskutieren, auch wenn es aus Lüders Sicht weniger um eine politische
Diskussion, als um eine Aufhellung der Hintergründe ging, weshalb Hubert
Fixemer allem Anschein nach zum Mörder geworden war. Welche Motive hatten den
Familienvater zu dieser Tat getrieben? Es war naheliegend, dass es gerade jene
Sorgen waren, die der Unternehmer in seiner eben vorgetragenen Argumentation
dem Einzelnen zuweisen wollte.
    »Was ist an dem Gerücht dran, dass
Hundegger-Industries an die Chinesen verkauft werden soll?«, fragte Lüder
stattdessen.
    Dr. Hundegger entspannte sich sichtbar. Jetzt war er
wieder in seinem Element. »Man kann heute nur noch in globalen Maßstäben
denken. Nur mit einer gesunden Größe ist man auf dem Weltmarkt überlebensfähig.
Und wer seine Augen davor verschließt, dass China, das immerhin jeden sechsten
Bewohner der Erde stellt, die USA und Europa über kurz oder lang als dominante Macht ablösen wird, ist blind.
Entweder füttert man die Schlange, oder man wird von ihr gefressen. Bändigen
kann man sie nicht.«
    »Was heißt das konkret?«
    »Ich will und kann nicht über Dinge sprechen, über die
noch nachgedacht wird. Wir reden nicht über einen Krämerladen, sondern über ein
bedeutsames Firmenkonglomerat.«
    »Und was sagt Ihr Vater dazu?«
    »Der ist von althergebrachten Idealen geprägt. Er war
zu seiner Zeit tüchtig und hat genau das Richtige getan. Doch heute hat sich
die Welt gewandelt. Bei allem Respekt vor der Lebensleistung des alten Herrn –
das Heute versteht er nicht mehr.«
    »Was werden Sie tun, wenn Hundegger verkauft ist?«
    »Sie formulieren hier Unausgegorenes. Wir sollten
unser Gespräch auf Fakten reduzieren. Und das bedeutet, dass
Hundegger-Industries hier und heute im Familienbesitz ist.«
    »Wo ist Ihr Vater?«
    »Der genießt seinen Lebensabend. Zu Recht. Hier auf
Sylt liegt seine Yacht.«
    »Er hat die Insel heute früh verlassen. Was will er in
Hamburg?«
    »Da müssen Sie ihn selbst fragen. Mit mir hat er sich
nicht abgestimmt.«
    »Haben Sie mit Fixemer und Balzkowski gesprochen?
Beide sind Belegschaftsvertreter Ihrer Unternehmen.«
    »Fixemer nicht mehr«, stellte Dr. Hundegger fest und
kratzte sich dabei den Haaransatz. »Beide haben mich bedrängt. Sehen Sie.«
Dabei breitete er seine Hände aus. »Ich arbeite hart. Über den Streit, ob die
Woche achtunddreißig oder nur

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