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Der Tote vom Kliff

Der Tote vom Kliff

Titel: Der Tote vom Kliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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etwas davon
murmelte, dass er mit einem Freund zum Sport verabredet sei und man schließlich
den morgigen Tag schon für »die Familie und so« reserviert habe.
    »Wer kommt morgen alles?«, nahm Margit den Hinweis zum
Anlass, Lüder zu fragen.
    »Wir sechs«, zählte der auf. »Meine Eltern, deine
Mutter und Ludwig.«
    »Die sind nicht da«, warf Margit ein. »Das weißt du
doch. Die sind auf Fuerteventura. Nie hörst du zu, wenn man dir etwas erzählt.«
    Lüder fiel es wieder ein. Margits verwitwete Mutter
und ihr neuer Lebensgefährte verbrachten einen Langzeiturlaub auf der
kanarischen Insel. »Mein Bruder und Frau, Horst Schönberg, Kriminaldirektor
Nathusius und Frau und …« Lüder zögerte ein wenig. »Große Jäger!«
    »Ach – nö«, empörte sich Margit. »Der gehört nicht da
rein.«
    Als Lüder schallend lachte, trommelte sie mit Fäusten
auf ihn ein und rief dabei, ebenfalls lachend: »Du Schuft.« Sie lag halb auf
Lüder, der sich deshalb nicht sofort befreien konnte, als sein Diensthandy
klingelte. Jonas war schneller.
    »Hier ist die Geisterstimme vom LKA «, meldete er sich und lauschte dann
einen Moment gebannt in den Hörer. »Ehrlich?«, kam es ungläubig über seine
Lippen und nach einer kurzen Pause: »Überfall? Schon sehr viele Tote? Geil!«
    Widerstrebend reichte er das Diensttelefon an Lüder
weiter. »Große Jäger«, sagte er. »Da hat es einen Überfall auf Sylt gegeben.
Die haben schon massenweise Leichen. Und das werden immer mehr.«
    Lüder meldete sich. Tatsächlich war Große Jäger am
Apparat. »Ich habe Jonas erzählt, dass die Wikinger die Insel überfallen haben.
Die doofe Polizei hat versehentlich auf dem Friedhof nach den Tätern gesucht
und schon über einhundertfünfzig Leichen gefunden.«
    Während sich Jonas vor Lachen ausschüttete, wurde der
Oberkommissar ernst. »Ich störe Ihre Sonntagsruhe nur ungern, aber hier ist
wirklich der Teufel los. Wir sind unterwegs nach Sylt.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Alle. Zunächst einmal rief mich heute Morgen
Hauptkommissar Paulsen von der Dienststelle Westerland an. Vor Laipples Haus
hat es wohl einen Auflauf gegeben, den die durchgeknallte Schauspielerin
veranstaltet hat. Sie ist mit ihrem Agenten vor dem Anwesen aufgekreuzt und
wollte Laipple zur Rechenschaft ziehen. Die örtliche Polizei hat den Spuk beendet
und einen Platzverweis ausgesprochen. Der Bankmensch hat ankündigen lassen,
gegen Katja von Mühl mit allen Rechtsmitteln vorzugehen.«
    »Und deshalb eilst du nach Sylt?« Lüder war erstaunt.
    »Das wäre kein Grund, aber es hat ein weiteres
Mordopfer gegeben. Jetzt ist großer Aufruhr. Wir sind unterwegs, die
Flensburger sind alarmiert, und man versucht, den Leiter der
Bezirkskriminalinspektion, den Scheiß-Starke, zu erreichen. Ich dachte, wenn
der kommt, sollten Sie auch informiert sein.«
    »Ich kann vor Ort wenig ausrichten«, wandte Lüder ein.
»Am Tatort sind die Spezialisten gefragt. Aber wer ist das Opfer?«
    Große Jäger zögerte, bevor er den Namen nannte. »Dr.
Friedemann Ambrosius Laipple.«
    »Donnerwetter!« Lüder war mehr als überrascht. Deshalb
dauerte es einen Moment, bevor er fragte: »Wie und wann?«
    »Erschossen. Vor etwa einer halben Stunde. In den
Dünen im Naturschutzgebiet Nord-Sylt. Die Gegend nennt sich Süderstrandtal und
liegt an der Straße, die kurz vor List links abzweigt und zum Ellenbogen
führt.«
    »Ich komme umgehend«, entschied Lüder und begegnete
Margits ebenso erstauntem wie bösem Blick.
    Es half auch nicht, dass er ihr die Brisanz, die dem
neuen Mord innewohnte, zu erklären versuchte.
    »Du bist nicht die Polizei«, sagte sie und
verließ wortlos den Raum. Er hörte, wie sie nach oben ging und sich im
Schlafzimmer einschloss. Er wollte ihr nachgehen, entschied sich dann aber,
sofort den Weg nach Sylt anzutreten. Er würde Margit von unterwegs anrufen.
    Es war ein typischer Apriltag. Der Himmel war grau, in
Küstennähe zog ein leichter Dunstschleier über die Marschwiesen, und auf dem
Hindenburgdamm setzte ein leichter Nieselregen ein, der Lüder auf dem
restlichen Teil der Fahrt begleitete. Es war jene Art von Niederschlag, gegen
den jeder Scheibenwischer machtlos blieb – zu wenig, um die Schlieren von der
Scheibe zu wischen, zu viel, um ohne zu fahren.
    Nördlich von Kampen führte die Straße nahe am
Wattenmeer entlang. Es war Ebbe, und das deprimierende Grau lag schwer über dem
Meeresboden und schluckte den Horizont.
    Die wenigen Autofahrer, die unterwegs waren,

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