Der Tote vom Kliff
übrigens nicht im Dienst.«
»Kann man sich beim Landeskriminalamt einfach mitten
in wichtigen Ermittlungen einen Urlaubstag nehmen?«, fragte Große Jäger.
»Es handelt sich um lange geplante und unaufschiebbare
persönliche Dinge. Seit Jahren geplant«, ergänzte Lüder betont.
»Nun, gut, dann fahren wir wieder Eisenbahn«, stellte
der Oberkommissar fest, als Lüder den BMW Richtung Autoverladung zum Festland rollen ließ.
FÜNF
Lüder hatte es genossen, am Sonntag ein wenig länger
schlafen zu können als in der Woche, obwohl Sinje irgendwann im Schlafzimmer
erschienen war und ihren Vater als Spielpartner begehrte.
»Wenn es nicht deine Tochter wäre«, hatte Margit
gesagt, »könnte man eifersüchtig werden.«
»Die jungen Frauen stehen nun einmal auf mich. Und auf
mir«, hatte er lachend hinzugefügt, nachdem Sinje ihm auf den Bauch gesprungen
war.
Man ließ sich im Hause Lüders Zeit mit der
Morgentoilette, insbesondere die beiden Großen Thorolf und Viveka leisteten
erbitterten Widerstand gegen das gemeinsame Frühstück. Lüder hatte beim Bäcker
– wie gewohnt – frische Brötchen besorgt und die dort ausliegende
Sonntagszeitung mitgebracht. Er war fast ein wenig enttäuscht, dass die
»Liebesaffäre zwischen dem Manager und der Schönen« zwar mit dieser Überschrift
auf der ersten Seite erschienen war, aber die dicke Balkenüberschrift einem
älteren Sozialhilfeempfänger galt, der nach Meinung der Zeitung vor Hunger
seine Haustiere aufessen musste. Ein schlechtes Pressefoto zeigte einen
knienden Mann, der einen Schäferhund freundschaftlich umarmte.
Lüder ärgerte sich, als er den Artikel las, in dem
sich herausstellte, dass mitnichten der Hund das Opfer war, sondern ein älteres
Schwein, das der Mann bisher in einem Schuppen und in seinem verwilderten
Garten gehalten hatte. Nun hatte man ein Verfahren gegen den Mann eingeleitet,
weil er das Tier schwarz zu Hause geschlachtet hatte und dabei gegen
Verordnungen und Bestimmungen verstoßen hatte, die Brüssel sich ausgedacht
hatte.
Dafür war der »Affäre« zwischen Dr. Laipple und der
Schauspielerin Katja von Mühl im Innenteil eine Doppelseite gewidmet. Neben
großformatigen Fotos, die den Bankmanager in einem schmucken Smoking, ein Glas
Champagner balancierend, im Gespräch mit dem Finanzminister und anderen Größen
zeigte, war Katja von Mühl, bekleidet mit einem waghalsigen Dekolleté, zu
sehen, wie sie mit einem Taschentuch ein Auge abtupfte. Lüder musste beim
Anblick des Bildes lachen. Wenn die Schauspielerin wirklich verweint gewesen
wäre, hätte das Make-up nicht so tadellos ausgesehen. Es ging um die große
Liebe, um das Versprechen einer gemeinsamen Zukunft, ja – man steigerte sich
sogar bis zum Kinderwunsch. Auch Dr. Laipple war zu Wort gekommen. Nur wer den
Artikel genau las, bemerkte, dass es sich um ein Kommuniqué seines Anwalts
handelte. Das sei ein Publicity-Gag einer Schauspielerin, war zu lesen, die
sich auf Kosten eines der Leistungsträger der deutschen Wirtschaft neue
Aufmerksamkeit erstreiten wolle, um von der nachlassenden Publikumsgunst
abzulenken. Der Bankmanager bestritt, jemals etwas mit der Dame zu tun gehabt
zu haben, und wenn man sich wirklich auf einer Charity-Veranstaltung begegnet
wäre, so könne sich Dr. Laipple nicht daran erinnern. Außerdem sei eine
möglicherweise mit einem zweifelhaften Ruf ausgestattete Schauspielerin kein
adäquater Umgang für eine Persönlichkeit wie Dr. Laipple. Der Artikel schloss
mit der Vermutung, dass Katja von Mühl, von der manche annahmen, sie habe den
Höhepunkt ihrer kurzen Karriere bereits überschritten, nun endgültig in den
Club der Skandalnudeln aufgenommen sei.
»So hat sich die Frau das nicht vorgestellt«, sagte
Lüder laut und zog damit die Aufmerksamkeit von Margit auf sich. Auf ihre
Nachfrage fasste er den Artikel zu einem Kurzbericht zusammen.
»Katja ist nicht so«, verteidigte Viveka die
Darstellerin der Daily Soap, und Thorolf merkte an, dass »diese Heuschrecke«
die Tussi sicher gebumst habe. Diese Feststellung veranlasste Jonas, in ein
heftiges Kichern zu verfallen und mehrfach »Der hat sie gebumst« zu murmeln,
worin selbst Sinje einfiel und ebenfalls mit einem Kichern Jonas’ Feststellung
wiederholte.
Nach einem befreienden Lachen und allgemeiner
Heiterkeit der ganzen Familie war auch dieses Thema überstanden.
»Es ist schön, dass wir den Tag gemeinsam verbringen
können«, sagte Margit, worauf Thorolf umgehend protestierte und
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