Der Tote vom Kliff
deinen Symptomen erschossen. Was
gibt’s sonst Neues?«
Friedjof zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Das
ist vielleicht ein Muffkopp, der da für den Kriminaldirektor gekommen ist.
Mannomann. Wenn der bleibt, lasse ich mich in die Kantine zum Kartoffelschälen
versetzen.«
»Sei unbesorgt, Friedjof. Das ist nur eine Frage der
Zeit, bis der Neue als Scheibe für die Schießanlage abkommandiert wird. Oder er
wird Innenminister.«
»Echt?«, sagte Friedjof und stand auf. »Ich muss
weiter. Und – noch was. Glückwunsch und so.« Er streckte Lüder den Daumen
entgegen und setzte seine Runde fort.
Lüder wandte sich seinem Computer zu und las den
vorläufigen Bericht der Kriminaltechnik, den Frau Dr. Braun ihm zugesandt
hatte. Die Untersuchungen am weißen Audi würden noch andauern. Man prüfte
akribisch, ob technische Mängel vorgelegen hatten, die unter Umständen dafür
verantwortlich waren, dass das Fahrzeug aus der Kurve getragen wurde. Die
Beamten des Polizeibezirksreviers hatten die Unfallstelle untersucht. Es gab
keine Anzeichen für eine Verschmutzung der Fahrbahn, weder durch Öl noch
landwirtschaftliche Fahrzeuge. Dafür hatte man ermittelt, dass Matthias Sommer,
der Fahrer, zum Zeitpunkt des Unfalls ohne Freisprecheinrichtung mit seinem
Handy telefoniert hatte. Für Lüder stand ohnehin fest, dass der Journalist zu
schnell gefahren war und dass das in Verbindung mit der regennassen Straße die
Ursache für das verhängnisvolle Unglück war. Leider sind unsere Friedhöfe voll
von »sicheren Fahrern«, die ohne jede Berücksichtigung der Physik allen
Gefahren trotzen, dachte Lüder.
Von alldem stand nichts in der Zeitung. Stattdessen
mutmaßte Leif Stefan Dittert, dass der Wirtschaftsjournalist etwas
herausgefunden hatte, was den Behörden nicht behagte. Natürlich hatte LSD vermieden, diese Behauptung direkt
zu formulieren. Jeder halbwegs intelligente Leser musste die Absicht des
Reporters erkennen. Ob die aber die Mehrheit der Leserschaft stellten, wagte
Lüder nicht zu beantworten.
Im Holsteinischen Courier, der regionalen Zeitung für
den Raum Neumünster, fand er die Überschrift »Mitarbeiter auf dem Klo
belauscht«. Der Journalist stellte die Frage, ob jetzt alle deutschen
Arbeitnehmer belauscht würden. Wie sicher sind unsere Arbeitsplätze noch? Nicht
einmal mehr das Örtchen ist ein diskreter Ort. Jetzt hatte es nach Lidl und der
Telekom auch Noskemeier in Neumünster erwischt. Die Geschäftsführung stand für
eine Stellungnahme nicht zur Verfügung, hieß es weiter, hatte aber verlauten
lassen, dass sie eine solche Vorgehensweise nicht dulden könne. Der Artikel
schloss mit der Bemerkung, dass Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln
würden. Man habe bereits eine erste Spur.
Lüder war enttäuscht. Er hatte Leif Stefan Dittert
Informationen zugespielt und gehofft, der windige Zeitungsmann würde sie
einschließlich der Hinweise auf den Düsseldorfer Wirtschaftsanwalt Dr. Dr.
Buurhove nutzen, um diesen und seine zwielichtigen Methoden im Boulevardblatt
anzuprangern. Aber Dittert, der Bluthund, hatte sich auf andere Themen
gestürzt.
Lüder suchte das Büro von Helge Thiel auf.
»Was ist bei Ihnen los?«, wurde er vom Hauptkommissar
begrüßt. »Da kursieren die tollsten Gerüchte. Wo ist Nathusius geblieben?«
»Alle Vermutungen dieser Welt taugen nichts. Gerade
wir bei der Polizei wissen, dass man sich nur auf Fakten stützen sollte«, wich
Lüder aus. Er hätte zu gern selbst gewusst, was sich hinter den Kulissen
abgespielt hatte. Aber er traf auf eine Wand des Schweigens.
»Ich wollte hören, wie weit die Ermittlungen in der
Abhörsache Noskemeier sind«, fragte Lüder.
»Günter Hartwig, der Geschäftsführer, und Knudsen, der
Betriebsrat, haben jeweils Strafanzeige erstattet. Wir verfolgen im Augenblick
eine Spur, die auf Willi Kwiatkowski zuläuft. Der Privatdetektiv aus Mülheim an
der Ruhr scheint die Abhöranlage und die Minikameras installiert zu haben.«
»Kwiatkowski ist nur ein kleines Licht«, sagte Lüder.
»Früher war er als Handlanger für Dr. Dr. Buurhove unterwegs. Der Mann hat
damals für eine internationale Wirtschaftskanzlei gearbeitet und ist aus dem
Geschäft geboxt worden.« Lüder verschwieg, dass es eine nicht ganz legitime
Aktion von ihm war, die Buurhoves Karriere beendet hatte. »Heute ist er als
Unternehmensberater tätig. Ich glaube, er soll die Interessen von Dr. Gisbert
Hundegger wahrnehmen. Wir haben immer noch keine konkreten
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