Der Tote vom Kliff
spannend«, sagte Große Jäger
unwirsch.
Er zeigte auf das Telefon. »Da musst du schon Frau Dr.
Braun in Kiel anrufen.«
Große Jäger schlug die Hände theatralisch vor das
Gesicht. »Das kannst du mir nicht antun. Wenn die Frau zu erklären beginnt … Da
muss man sich zwischendurch zweimal rasieren.« Er fuhr sich mit der Hand über
die blau schimmernden Bartstoppeln auf seiner Wange.
»Damit hast du keine Probleme. Es geht um das
Segeltau, das Fixemer am Rantumer Hafen vom Schiff des Nordstrander Bootes
abgeschnitten hat. Fixemer war zu der Zeit mit Balzkowski in dessen Wagen
unterwegs.«
»Ah«, fiel ihm Große Jäger ins Wort. »Das hat Lülü
angeordnet. Balzkowski hatte ausgesagt, dass Fixemer das Seil angeblich
gefunden hatte und für seinen Sohn mitnehmen wollte. Sie haben das Seil in
Balzkowskis Wagen mitgenommen und später in Fixemers Auto umgeladen.«
»Und auf Anordnung von Lüder Lüders hat die
Spurensicherung auch Fixemers Wagen untersucht. Dort fanden sich keine
Mikrofasern vom Segeltau. Die Techniker sind aber der Meinung, dass es relativ
unwahrscheinlich sei, wenn das Seil im Kofferraum Erschütterungen während der
Fahrt ausgesetzt ist, dass sich nicht kleine nachweisbare Fasern lösen und im
Filz der Kofferraummatte verhaken. Man könnte folglich davon ausgehen, dass das
Seil nicht in Fixemers Kofferraum gelegen hat. Zumindest nicht lose. Wenn er es
aber zuvor in eine Plastiktüte gesteckt hat, dann …«
Christoph Johannes vollendete den Satz nicht.
»Gibt’s sonst noch was?«
»Ja.«
»Nun mach es nicht so spannend.«
»Deine Nachbarn sind sauer auf dich. Nun bist du schon
so eine Art Polizeichef in Husum, und wenn sie dich einmal brauchen, versagst
du jämmerlich.«
»Du gütiger Himmel«, jammerte Große Jäger. »Sag nicht,
dass es immer noch um diesen BMW geht, der gegenüber auf dem Parkstreifen abgestellt wird und dessen Halter
lieber das Verwarnungsgeld zahlt, statt sich einen anderen Parkplatz zu
suchen.« Er zeigte mit dem Finger auf Christoph Johannes.
»Bist du mit dem Volvo da?«
Als der nickte, fuhr er fort. »Dann muss ich nicht
Bahn fahren und mich mit Mehlwurms Beklopptenklavier herumärgern.«
»Mit was?«
»Mit dem Fahrkartenautomaten im Bahnhof.«
SIEBEN
In der Familie war wieder der Alltag eingekehrt,
obwohl Margit immer noch mit Lüder grollte.
»Es ist dein Tag«, hatte sie ihm vorgeworfen. »Da
kannst du nicht einfach verschwinden. Ich kam mir ziemlich blöd vor, als ich
mit deinen Gästen dasaß. Wie gut, dass das alles liebe und umgängliche Menschen
sind. Du solltest dir von deinem Vater eine Scheibe abschneiden. Der hat sich
hinreißend um mich und die Kinder gekümmert.«
Auch Lüders Bericht über das geheimnisvolle
Verschwinden von Nathusius hatte Margit nur bedingt beruhigen können. Lüder war
bemüht gewesen, das morgendliche Ritual in der Familie betont routinemäßig
ablaufen zu lassen. Daran, dass die drei Großen mit der gewohnten Leidensmiene
den Schulweg antraten, hatte er erkannt, dass der Vortag vergessen war. Und
Margit – sie hatte ja recht – war nicht nachtragend.
Auf dem großen Gelände des Polizeizentrums Eichhof in
Kiel, auf dem auch das Landeskriminalamt untergebracht war, hatte er ein paar
bekannte Gesichter gesehen und Morgengrüße ausgetauscht. Jetzt saß er in seinem
Büro, als die Tür mit gewohntem Schwung aufgerissen wurde und Friedjof mit den
täglichen Post- und Umlaufmappen erschien.
»Oh – oh. Aua –aua«, stöhnte Friedjof und hielt sich
die freie Hand an den Kopf. Er ließ sich auf einen Besucherstuhl vor Lüders
Schreibtisch fallen, warf die mitgebrachten Unterlagen auf den Schreibtisch,
streckte alle viere von sich und massierte mit der anderen Hand seinen Bauch.
»Ist mir schlecht. Und das tut so furchtbar weh.«
»Was ist mit dir, Friedhof?«, fragte Lüder, dem das
verdächtige Zucken um Friedjofs Mundwinkel nicht entgangen war.
»Kannst du mir nicht schnell helfen?«, fragte der
Bürobote.
»Ich könnte Dr. Diether von der Pathologie anrufen und
ihm noch für heute einen Neuzugang ankündigen.«
»Mir ist so übel, und alles tut weh«, jammerte
Friedjof.
»Was kann ich dafür?«
»Ich habe gehört, du bist Arzt«, stammelte Friedjof.
»Wie kommst du darauf?«
»Hat Edith aus dem Sekretariat gesagt. Er ist jetzt
Dr. Lüders. Und da habe ich gedacht, wenn du Doktor bist, kannst du mir
helfen.«
Lüder lachte. »Ich verstehe nur etwas von
Veterinärmedizin. Und da werden Patienten mit
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