Der Tote vom Maschsee
hat es nicht noch einmal versucht, um
nicht aufdringlich zu wirken. Das bereut er nun.
Etwas ScheuÃliches . Vielleicht ist auf sie
geschossen worden, vielleicht ist sie verletzt? Oder gar tot? Womöglich hat
dieselbe Irre wieder zugeschlagen, die schon Offermann und die Dilling auf dem
Gewissen hat â¦
Während ihm solche wirren Gedanken durch den Kopf jagen, drängelt er
sich auf seiner Drag Star vorbei an wartenden Autos, überfährt durchgezogene
Linien und eine rote FuÃgängerampel. Oda hat den Dienstwagen genommen, er hat
sie längst abgehängt. Trotzdem ist er froh, dass sie nachkommt. Wer weiÃ, was
ihn dort erwartet.
Der Summer an der Haustür wird sofort betätigt, er rast die Treppe
hinauf. An der Tür steht eine fremde Frau um die vierzig, vermutlich diese
Melanie Kusch.
»Was ist passiert?«
»Kommen Sie mit.«
Gott sei Dank, sie ist am Leben! Mit ernstem Gesicht kommt sie ihm
im Flur entgegen und deutet auf die Tür von Offermanns Büro. »Da drin.«
Auf dem Schreibtisch herrscht ein Durcheinander von Papieren,
Briefen, Umschlägen. Mittendrin liegt ein graurosa Fleischklumpen.
Dieses Mal kann Fernando auf Jules Hilfe verzichten, er weià auch
so, worum es sich handelt.
»Es war in einem gepolsterten DIN-A-4-Umschlag, er liegt
dort«, sagt die fremde Frau, die im Türrahmen stehen geblieben ist, und zeigt
auf einen braunen Luftpolsterumschlag. Fernando sieht ihn sich an, ohne ihn zu
berühren. Er trägt keine Briefmarke, nur einen weiÃen Aufkleber, auf den Dr. L. Fender mit Schreibmaschine getippt ist.
»Ich mach ihn auf, und da fällt dieses schreckliche â¦Â« Ekel und
Entsetzen lassen den drallen Körper erbeben.
Fernando wendet sich um. »Darf ich fragen, wer Sie sind?«
»Das ist Frau Kusch«, erklärt Liliane Fender. »Sie kommt immer
montags und macht die Buchhaltung und die Korrespondenz.«
Ein beiÃender Geruch steigt ihm in die Nase. So ähnlich riecht es im
Sektionssaal von Bächle, fällt Fernando ein. »Wonach riecht es hier?«, murmelt
er, und Liliane Fender antwortet prompt: »Formalin. Darin war die Zunge wohl
eingelegt.«
»War eine Nachricht dabei?«
»Nein. Auch kein Absender, nichts. Nur dieses grässliche Ding da«,
mischt sich erneut Frau Kusch ins Gespräch. Sie erinnert Fernando ein wenig an
Frau Cebulla. Jedenfalls trägt auch sie Gesundheitsschuhe.
Fernando greift zu seinem Telefon und fordert die Spurensicherung
an.
»War der Umschlag im Briefkasten der Praxis oder in Ihrem
privaten?«, fragt er dann.
»In dem von der Praxis«, antwortet Liliane Fender. »Am Samstag war
er noch nicht drin, und gestern habe ich nicht nachgesehen.«
Fernando sieht Liliane an und lächelt zögerlich.
Sie lächelt nicht zurück.
»Gehen wir in das andere Büro«, schlägt er vor. »Meine Kollegin wird
jeden Augenblick hier sein. Wären Sie so nett, ihr zu öffnen, Frau Kusch?«
Endlich sind sie allein im Büro.
»Gehtâs wieder?«, fragt Fernando.
Sie nickt.
»Ich bin hergerast wie ein Verrückter. Ich hatte eine ScheiÃangst,
dass dir was passiert sein könnte.«
»Ich wollte dich selbst anrufen, aber als ich das Telefon in der
Hand hatte, ist mir plötzlich übel geworden. Tut mir leid.«
Fernando macht Anstalten, sie tröstend in die Arme zu nehmen, aber
sie weicht zurück und streckt ihm die Handflächen entgegen. »Nicht. Ich ⦠nicht
jetzt.«
Ein zäher Moment der Verlegenheit breitet sich zwischen Ihnen aus.
DrauÃen hört man das Dingdong der Klingel und kurz darauf die Stimmen von Frau
Kusch und Oda. Liliane Fender nimmt dies zum Anlass, das Büro zu verlassen.
Die Trauerfeier in der Kapelle des Engesohder Friedhofes
ist sehr gut besucht, wobei die Gruppe der weiblichen Trauergäste mittleren
Alters zahlenmäÃig die GröÃte ist. Er war wohl doch ein Schwerenöter, denkt
Völxen, der besonders die weiblichen Trauernden aufmerksam mustert. Ob es die
Mörderin auch hierher getrieben hat? Verstohlen schielt er nach der Kollegin
vom LKA,
die die Trauergemeinde dezent mit einer kleinen Videokamera abschwenkt.
Der Kommissar hat sich ganz hinten platziert, und als die
Feierlichkeiten beginnen ihm zu lange zu dauern, bricht er auf zu einem
Spaziergang über den Friedhof. Es ist ein knapp hundertfünfzig Jahre alter
Friedhof mit einem
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