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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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hier von Wanda zu reden. Beinahe wünscht er
in diesem Augenblick, dass es etwas Negatives zu berichten gäbe. Aber da sie
ihn erwartungsvoll und mit fragenden Augen ansieht, antwortet er
wahrheitsgemäß: »Gut, danke. Sie macht bald Abitur.«
    Frau Dilling nickt nachdenklich. »Ob sie es wohl wissen, unsere
Kinder? Ob sie wissen, dass sie die Macht haben, uns völlig zu zerstören?«
    Â»Ich denke, nicht.«
    Â»Ich habe immer in der Zeitung Ihren Werdegang verfolgt, Herr
Kommissar.«
    Â»Das ist bemerkenswert«, sagt Völxen verlegen.
    Â»Ach, nein. Leute, die man in so einem Zusammenhang trifft, vergisst
man nicht.«
    Â»Es gibt Dinge, die vergisst auch ein Polizist nie.«
    Beide schweigen.
    Schließlich fragt Völxen: »Wie geht es Ihnen?«
    Â»Mir? Es geht schon. Ich lebe allein. Ich habe einen Halbtagsjob bei
einer Bank. Mein Mann und ich – das funktionierte nicht mehr, nachdem … Er ist
weggezogen, nach Berlin. Hat eine neue Frau und neue Kinder. Aber ich kann doch
hier nicht weg, Sie verstehen das doch?«
    Völxen nickt. Natürlich kann sie nicht wegziehen. Es könnte ja ein
Wunder geschehen.
    Â»Ich habe meine Aufgaben. Ich engagiere mich ehrenamtlich und
politisch.«
    Â»Ich weiß«, sagt Völxen. Und noch während er überlegt, wie er das
heikle Thema ansteuern soll, sagt sie: »Ich kann mir denken, warum Sie hier
sind. Offermann, nicht wahr?«
    Â»Ja«, erwidert Völxen. »Sie hatten Stunden vor seinem Tod einen
Streit mit ihm.«
    Â»Ich war’s nicht. Wirklich nicht. Ich fand es zwar obszön, wie
Offermann diesen Verbrechern zu öffentlicher Aufmerksamkeit und sogar Mitgefühl verholfen hat, aber deswegen bringe ich ihn nicht
um.«
    Â»Was haben Sie zu Offermann nach dem Vortrag gesagt?«
    Â»Ich habe ihn aufgefordert, mal mit den Eltern des Jungen, der Anfang
dieses Jahres in Dresden von einem mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter
ermordet worden ist, über Persönlichkeitsrechte von Straftätern zu
diskutieren.«
    Â»Was hat er geantwortet?«
    Â»Er hat mich populistisch genannt.«
    Â»Und Sie?«
    Â»Ich nannte ihn einen eitlen Gecken, der sich auf Kosten anderer
profiliert und keinen Respekt vor den Opfern hat.«
    Â»Aha.«
    Â»Er meinte, wir sollten uns nach seiner Signierstunde unterhalten,
aber ich bin weg. Ich konnte diesen Menschen nicht länger ertragen.«
    Â»Warum sind Sie überhaupt zu dem Vortrag gegangen? Sie hätten sich
doch eigentlich schon denken können, was er sagen würde.«
    Â»Da haben Sie recht«, sagt sie und sieht Völxen an. »Aber wissen
Sie, seit sechzehn Jahren versuche ich zu verstehen, was in solchen Menschen
vorgeht. Ich sehe mir jede Fernsehsendung an, egal ob Talkshow oder
wissenschaftlicher Diskurs, und das, obwohl es jedes Mal von Neuem schmerzt.
Dr. Offermann war ja hinter seinem eitlen Gehabe ein sehr guter Psychiater.
Wenn überhaupt von jemandem, dann war er es, von dem man etwas über das Wesen
solcher Täter lernen konnte. Wir waren uns nur absolut uneinig im Umgang mit
ihnen. Er beharrte auf dem Standpunkt, dass die Gesellschaft mit einem gewissen
Restrisiko leben muss – und das kann ich nicht akzeptieren. Außerdem war ich
dort, weil ich Flyer von unserer Gruppe ausgelegt habe.«
    Â»Was ist das für eine Gruppe?«
    Â»Eine Selbsthilfegruppe für Verbrechensopfer und deren Angehörige.«
    Â»Was genau tut die?«
    Â»Wir reden. Wir hören zu. Wir tauschen Adressen von Therapeuten. Wir
gehen an die Öffentlichkeit und treten für die Belange der Opfer ein. Auch die
der potenziellen Opfer.«
    Â»Was heißt das genau?«
    Ihr Gesichtsausdruck wird lebhaft. »Wir fordern ein Gesetz, das sich
im Groben an Jessicas Law anlehnt. Das ist ein
Gesetzespaket, das Schwarzenegger im Jahr 2006
in Kalifornien auf den Weg gebracht hat. Es sieht angemessene Strafen für
Sexualstraftäter vor. Wir kämpfen für mehr Schutz der Bevölkerung vor solchen
Tätern. Elektronische Fußfesseln zum Beispiel, die Alarm geben, wenn sich so
ein Typ in die Nähe von Schulen oder Kindergärten wagt. Wir verlangen, dass die
Nachbarschaft davon erfährt, wenn ein entlassener Sexualstraftäter in die
Gegend zieht. In England gibt es das bereits.« Sie hat sich in Rage geredet und
streicht sich über die erhitzten Wangen.
    Völxen wird an einen Fernsehbericht aus

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