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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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im Auge und informieren
die Öffentlichkeit. Wenn er wirklich rauskommt, werden wir eine Demo
organisieren und dafür sorgen, dass es im Blätterwald ordentlich rauscht.«
    Â»Herr S.?«
    Â»Na, dieser Häftling – Michael Strauch ist sein Name. Er hat ein
junges Mädchen auf dem Gewissen und soll demnächst entlassen werden. Offermann
ist – vielmehr war – doch sein Gutachter in dieser Sache.«
    Â»Woher wissen Sie davon?«
    Â»Wir haben unsere Quellen. Außerdem stand es letzte Woche sogar in
der Zeitung.«
    Der Kommissar steht auf, wobei er fragt: »Wann und wo finden die
Treffen Ihrer Gruppe statt?«
    Â»Einmal im Monat auf dem Faust-Gelände.«
    Natürlich, wo sonst. Das Gelände der alten Bettfedernfabrik in
Linden-Nord ist bereits seit jeher eine Keimzelle subversiver Aktivitäten.
Völxen selbst hat dort schon an Zusammenkünften teilgenommen, bei denen
Protestmärsche und Sit-ins geplant worden sind. Wofür
oder wogegen ist ihm heute nicht mehr geläufig, denn er ist damals
hauptsächlich wegen der attraktiven Jutta mitgekommen, in der Hoffnung, dass
sie nach dem Klassenkampf noch Lust auf ein wenig Nahkampf in ihrer
Hinterhofwohnung in der Gökestraße hätte. Himmel, das ist schon fast dreißig
Jahre her.
    Â»Könnte ich so einen Handzettel haben, wie Sie ihn verteilt haben?«
    Â»Natürlich.« Sie geht voraus. Die Flyer liegen im Flur auf der
Ablage. Sie drückt ihm einen Stapel in die Hand.
    Â»Einer genügt«, meint Völxen.
    Â»Nehmen Sie nur. Bei Ihnen sind die genau richtig. Verteilen Sie sie
ruhig.«
    Er nimmt ein paar Zettel entgegen und verabschiedet sich. Erst im
Wagen liest er:
    Â 
    Pro victim
    Gerechtigkeit für Opfer
    Selbsthilfe für Opfer von Gewaltverbrechen
    Nicht schweigen, kämpfen!
    www.pro-victim.com
    Jule Wedekin sitzt am Küchentisch vor ihrer
Schreibtischlampe und brütet seit zwei Stunden über dem, was sie in Offermanns
Unterlagen über den Fall Michael Strauch gefunden hat. Strauchs persönliche
Daten und seine kriminalistische Vorgeschichte hat Offermann aus
Ermittlungsakten komprimiert und bereits einigermaßen vorzeigbar ausformuliert: Von seinen neununddreißig Lebensjahren hat Michael Strauch
fast die Hälfte im Justizvollzug verbracht. 1984 gab es eine
Verurteilung wegen Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung einer
Mitschülerin, die zu einer Bewährungsstrafe von achtzehn Monaten führte, welche
zur Zeit des zweiten Übergriffs, der im Juli 1986 stattfand, gerade
abgelaufen war.
    Ihr Magen rebelliert. Was habe ich heute eigentlich gegessen? Nichts
mehr seit der Nussecke vom Vormittag. Der Kühlschrank ist das Einzige, was in
ihrer Küche funktioniert. Morgen um acht sollen die Küchenmonteure kommen,
hoffentlich werden sie pünktlich sein. Sie kann unmöglich zu spät zur
Besprechung kommen, schon gar nicht jetzt, wo Völxen auf ihre Ergebnisse
wartet.
    Der Inhalt des Kühlschranks erweist sich als sehr übersichtlich:
eine Flasche Diätcola, eine Senftube, ein Becher Hüttenkäse. Nicht mal Brot ist
im Haus. Sie trinkt einen Schluck Cola aus der Flasche, wobei sie sich selbst
zuprostet: Auf die Freiheit, Jule.
    Die »Freiheit« ist ein Altbau im Trendviertel List – drei Zimmer,
Bad, Balkon. Sie löffelt den Hüttenkäse mit zwei Fingern aus dem Becher, das
Besteck lagert in einer der vier Kisten, auf denen Küche steht.
    Im November 1986 wurde der damals Achtzehnjährige wegen Vergewaltigung und
Freiheitsberaubung zu viereinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt. Tathergang nach
Aktenlage: Herr Strauch lernte die siebzehnjährige Arzthelferin Silvia P. auf
dem Hannoverschen Schützenfest kennen. Nach dem gemeinsamen Verlassen des
Festes stieg Frau P. gegen zweiundzwanzig Uhr in das Auto von Strauch, einen
Opel-Kadett. Er hatte angeboten, sie nach Hause, nach Hannover-Ricklingen, zu
fahren. Die Fahrt endete jedoch in einem Kornfeld in der Nähe des Ortes
Hemmingen-Arnum, etwa zehn Kilometer südlich von Hannover. Nach Aussage von
Silvia P. hat er dort versucht, sich ihr sexuell zu nähern. Als sie sich dies
verbat, fing er an, sie zu schlagen. Er fesselte sie mit einem Kabel, das auf
dem Rücksitz lag, misshandelte und vergewaltigte sie. Durch das plötzliche
Auftauchen eines Mähdreschers wurde er gestört, er stieß die Frau aus dem
Wagen, ließ die Verletzte gefesselt auf

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