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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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schicken blauen
Uniformen gibt, geh ich zur Kripo«, scherzt Jule.
    Â»Wir haben ja noch gar nicht auf deine Beförderung angestoßen«,
fällt ihrem Vater dabei ein, und ehe Jule etwas sagen kann, winkt Professor
Wedekin dem Barmann: »Hallo, Pascal! Wir hätten gerne eine Flasche Champagner.«
    Â»Warum sind Sie Polizist geworden?«
    Fernando lächelt. »Das ist eine seltsame Geschichte, fast ein wenig
kitschig.«
    Â»Ich mag kitschige Geschichten«, behauptet Liliane Fender und
schenkt ihm ein aufmunterndes Lächeln.
    Â»Mein Vater starb, als ich dreizehn war. In den Jahren danach lief
bei mir so Einiges aus dem Ruder. Ich war in allerlei krumme Sachen verwickelt:
Dealerei, kleine Diebstähle, Hehlerei. Irgendwann haben sie mich beim Verticken
von gefälschten Fußballtickets erwischt. Ich verbrachte eine Nacht in den
Verwahrzellen in der Polizeidirektion. Meine Mutter ist aus allen Wolken
gefallen und hat daraufhin ihren Stammgast vom Kriminaldauerdienst gebeten, mir
ins Gewissen zu reden.«
    Der Kellner bringt die bestellte Flasche Sangiovese und öffnet sie
am Tisch. Nachdem das Ritual des Kostens und Einschenkens überstanden ist,
fragt Liliane Fender: »Haben Sie auf ihn gehört?«
    Â»Nicht die Bohne. Ich glaube, ich habe ihn sogar einen Scheißbullen
genannt. Mit dem Einverständnis meiner Mutter hat er mich dann drei Abende
hintereinander abgeholt, und ich durfte, oder vielmehr musste, die Nachtschicht
beim Kriminaldauerdienst mitmachen, drei Nächte lang, bis früh um fünf. Er hat
keine Predigten gehalten, aber ich habe auch so kapiert, wo ich ende, wenn ich
so weitermache. Zwei Jahre später war ich mit der Schule fertig und habe mich
bei der Polizei beworben. Der Typ ist heute mein Chef, Hauptkommissar Völxen.«
    Â»Ein kluger Mann. Er hat Sie richtig eingeschätzt und Ihnen eine
Perspektive aufgezeigt. Das war nützlicher als alle Moralpredigten.«
    Â»Sie halten mich sicher für ziemlich ungehobelt und ungebildet«,
entschlüpft es Fernando, obgleich er im selben Moment ahnt, dass er diese Frage
besser nicht gestellt hätte, denn entweder muss die ehrliche Antwort darauf
»Ja« lauten, oder man setzt sich unweigerlich dem Verdacht der Koketterie aus.
    Â»Nein«, sagt sie nüchtern. »Tu ich nicht. Sie sind kein
Intellektueller, wenn Sie das meinen. Aber die sind ohnehin recht anstrengend.«
Sie hebt ihr Glas. »Auf kluge Männer.«
    Â»Und schöne Frauen«, sagt Fernando und würde sich am liebsten schon
wieder die Zunge abbeißen. Was redet er da? Bei einer Frau ihres Formats muss
er sich schon was anderes einfallen lassen, da greift der übliche Schmus nicht.
    Â»Was haben Sie mit Ihrem Gesicht angestellt?«, fragt sie.
    Â»Zwei Bürger haben sich einer Festnahme widersetzt.« Er versucht ein
Lächeln, was mit der angeschwollenen Gesichtshälfte gar nicht so einfach ist.
»Ich finde, es verleiht mir einen verwegenen Touch. Manche Frauen stehen auf so
was.«
    Â»Manche«, sagt sie und schlägt die Augen nieder.
    Â»Warum sind sie Psychiaterin geworden?«
    Â»Weil ich ein paar Antworten haben wollte.«
    Â»Worauf?«
    Â»Warum Menschen anderen Menschen antun, was sie ihnen eben so
antun.«
    Â»Haben Sie sie gefunden?«
    Â»Teilweise.«
    Â»Aber Sie haben sich auf Opferhilfe spezialisiert. Findet man die
Antworten nicht eher bei den Tätern?«, fragt Fernando. Eine Steilvorlage,
findet er. Jetzt wäre doch der Moment, ihm zu erzählen, dass sie die
Begutachtung von Strauch übernommen hat.
    Â»Sind Sie schon einmal richtig verprügelt worden«, fragt sie
stattdessen.
    Â»Och, ja.«
    Â»So, dass Sie um Ihr Leben fürchten mussten?«
    Â»Als Kind. Es gab da eine üble Clique aus Linden-Süd.«
    Â»Hat es Ihr Leben verändert?«
    Â»Ja. Ich bin vorsichtiger geworden und habe mich entsprechend
bewaffnet.«
    Â»Ich hatte mal eine Freundin, die ist in ein falsches Auto
gestiegen. Sie hat nie darüber gesprochen, mit niemandem, aber sie war danach
völlig verändert. Vielleicht mache ich deshalb heute diese Arbeit.«
    Â»Was ist aus ihr geworden?«
    Â»Ihre Familie ist weggezogen. Aus Scham.« Sie hält ihr Weinglas
gegen das Licht, trinkt, und sagt, während ihr Finger den Rand des Glases
hinabfährt: »Gewalterfahrung verändert die Psyche, man lebt anders. Man spürt
plötzlich seine

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