Der Tote vom Silbersee (German Edition)
wieder ertappte sie sich dabei, wie sich die blauen Augen des Richters vor ihren Text schoben. Von der Kommissarin hörte sie nichts.
35
Ein paar Tage später fuhr Lena mit der U-Bahn Richtung Marienberg, damit Trixi zu ihrem langen Spaziergang kam.
Da sie keinen Sitzplatz mehr fand, drückte sie sich in die Ecke hinter dem Fahrer. Trixi hielt sie vorsichtshalber auf dem Arm. Die Frau neben ihr hielt die Nürnberger Nachrichten in der Hand. Lena erhaschte gerade noch einen Blick auf die Überschrift und ein Bild, bevor sich diese an die Tür zum Ausstieg bereitstellte.
Sie kannte das Bild!
»Wo bekomme ich jetzt eine Zeitung her?«, sagte sie halblaut zu Trixi.
»Sie können meine haben«, meinte die Frau. »Ich habe sie schon gelesen. Bitte schön!«
»Vielen Dank! Sehr freundlich.« Lena nahm lächelnd die Zeitung in Empfang.Sind die Nürnberger doch nicht so stur und bärbeißig, wie man ihnen immer nachsagt, dachte sie dankbar . Die nächste Station war schon Fritz-Munkert-Platz. Hier musste Lena aussteigen, wenn sie weiter zum Marienberg wollte. Sie hielt sich links, ging zügig auf der Marienbergstraße, überquerte die Straße undbefreite Trixi von der Leine. Der kleine Hund sauste über die Wiesen. Im Gehen begann Lena zu lesen. Dann steuerte sie zielstrebig auf eine Bank zu. Der Artikel war ziemlich reißerisch geschrieben. In einer Razzia hatte man im Fleischgroßhandel des August Faustus umdatiertes Gammelfleisch und etikettierte Schlachtabfälle gefunden. Damit nicht genug. Bei der Durchsicht etlicher Akten – dank eines anonymen Hinweises – konnte die Polizei unter der Leitung der Kommissarin Bertaluise Nürnberger beweisen, dass Faustus auch Fleisch an die Halter diverser Hundekampfveranstalter lieferte. Es folgte ein kurzer Abriss über illegale Hundekämpfe, die bisher in Nürnberg nie ein Thema gewesen waren. Auch Andys Tod und sein Kampfhund wurden kurz erwähnt. Allerdings sprach der Verfasser des Artikels von einem Mann aus dem Rauschgiftmilieu mit dem Namen A. Außerdem wurde die Vermutung geäußert, dass die Hundemafia dafür verantwortlich sein könnte. Der Name des ermittelnden Richters wurde auch erwähnt: Jan von Lindenberg.
Lena überflog den Artikel noch einmal. Ganz klein in kursiver Schrift stand der Verfasser des Artikels darunter: Hannes Nüsslein.
»Nachdem sein Kollege Suser nicht mehr in der Redaktion ist, läuft Nüsslein wahrscheinlich zur Höchstform auf. Das ist vielleicht seine Chance, bekannt zu werden.«
Lena schmunzelte und schlug die Beine übereinander. Trixi saß erwartungsvoll vor ihr, das Bällchen in der Schnauze.
»Wetten, dass der Kopf der Bande der Würstl-Faustus ist, Trixi? Obwohl, den Biologen-Faustus darf man auch nicht vergessen. Überfährt einfach einen Hund, nur weil der bellt. Also wirklich, ich hätte den Kerl von seinem Velo gezogen und ungespitzt in den Boden gerammt.«
Lena nahm den Ball und warf ihn weit in die Wiese hinein.
»Eigentlich müssten die Kommissarin und Jan es schaffen, diesen schrecklichen Hundekampfboss zu finden«, murmelte Lena zuversichtlich.
***
Lena war wie elektrisiert durch all die Neuigkeiten; sie konnte jetzt nicht zurück in ihr Hotelzimmer gehen.
»Trixi, wir beide müssen jetzt laufen.« Sie sprang von der Bank auf. »Lange und schnell. Du weißt, kleine Kampfameise, dabei kommen mir immer die besten Gedanken. Dieser Hannes Nüsslein hat den Artikel geschrieben. Den kennen wir doch. Das ist der Kollege von diesem ertrunkenen Suser.«
Lena bückte sich, hob einen kleinen Ast auf und schleuderte ihn weit in die Wiese. Ihre ganze Wut lag in diesem Wurf. Wut auf diesen Gammelfleischtypen, Wut auf Andy, der seinen Lord kämpfen ließ und auch ein klein bisschen Wut auf Belu Nürnberger, die sie trotz Versprechens nicht informiert hatte. Trixi bellte aufgeregt. Dieses Spiel gefiel ihr. Der See im Volkspark Marienberg glitzerte so friedlich in der Sonne. Ein paar Enten saßen am Ufer und putzten ihr Gefieder. Die Natur erwachte pünktlich mit Frühlingsbeginn. Lena setzte sich wieder kurz auf eine Bank und genoss die Sonnenstrahlen. Unermüdlich warf sie nun den Stock und unermüdlich brachte ihn Trixi zurück. Das Stöckchen gefiel ihr jetzt besser als der Ball.
Lena las den Artikel nun zum dritten Mal aufmerksam.
»Frau Nürnberger, Frau Nürnberger«, ein kleines Lächeln stahl sich auf Lenas Gesicht, »du hast es wirklich faustdick hinter den Ohren. Da heuchelst du Desinteresse, dabei ermittelst du die
Weitere Kostenlose Bücher