Der Tote vom Silbersee (German Edition)
roten Kleid.
»Auf geht’s, Trixi!«
Das Taxi wartete bereits und brachte sie ans andere Ende des Dutzendteiches, Richtung Luitpoldhain. Eine noble Gegend, wie Lena an den prächtigen Häusern erkannte.
»Wie melodisch sich das anhört«, flüsterte sie vor sich hin, »Nibelungenviertel. Von Tristan über Isolde, von Gunther zu Siegfried.«
Die Villa des Jan von Lindenberg lag hinter hohen Bäumen und sah aus wie das Haus aus der Fernsehserie Dallas, weiße Zäune, Säulengänge, eine weit ausladende Einfahrt.
Lena drückte auf die Klingel neben der Gegensprechanlage. Eine weibliche Stimme erklang und Lena nannte ihren Namen.
»Warten Sie, ich komme. Unser Hund läuft noch frei herum.«
Dann hörte Lena, wie sich die wuchtige Haustür öffnete und ein junges Mädchen mit einer Schürze und einem Häubchen energisch den Namen Astor rief. Lena sah durch die Zweige des Busches neben dem Eingang, wie das Mädchen mit einem braunen Labrador, den sie am Halsband führte, zu einem Zwinger neben dem Hauseingang marschierte. Dort sperrte sie den Hund ein und mit einem Surren öffnete sich das Tor.
»Astor heißt der Hund?«, fragte Lena an das Hausmädchen gewandt.
Das Mädchen nickte. »Er ist zum Glück recht friedlich, aber man weiß ja nie, was passiert, wenn ein Fremder in sein Revier eindringt.«
Lenas Augen hatten eine zusammengesunkene Gestalt auf einem Stuhl entdeckt.
Fragend sah sie das Mädchen an. Ihr Blick ging in Richtung Terrasse.
»Das ist die Dame des Hauses.«
Das war ja wohl klar, dass Jan verheiratet ist. Wie konnte ich jemals daran denken, dass so ein Mann solo durch die Welt läuft.
Ohne weiter auf den Zwischenruf der Hausangestellten zu hören, eilte Lena auf die Gestalt zu. Mit wenigen Schritten war sie bei der Dame, deren Füße in eine Decke eingewickelt waren. Sie sah verhärmt aus. Tiefe Falten gingen von den Mundwinkeln aus; sie schien zu schlafen.
»Entschuldigen Sie, gnädige Frau, darf ich mich Ihnen vorstellen?«
»Bitte gehen Sie, Frau von Lindenberg ist krank. Sie braucht Ruhe«, rief das Hausmädchen.
»Entschuldigung«, stotterte Lena. Sie war geschockt.
»Ist schon gut, hörte sie eine leise Stimme. »Mein Mann ist gleich bei Ihnen.«
»Schön, dass Sie gekommen sind«, hörte sie eine bekannte Stimme in ihrem Rücken. Er lächelte und streckte Lena die Hand hin. Sein Händedruck war fest und warm. »Na, kleine Trixi, wie geht es dir denn?«
Der Terrier setzte sich neben Lena hin. Nur das Schwänzchen bewegte sich aufgeregt. Der schlanke Mann lächelte und sah sie mit seinen gletscherblauen Augen an. Lena spürte, wie es in ihrem Bauch zu kribbeln begann, und sie rot wurde. Nimm dich zusammen!, redete sie sich selbst zu.
»Sehr charmant, Herr von Lindenberg.«
Er lächelte: »Nennen Sie mich doch Jan!«
Dabei zeigte er eine Reihe von unnatürlich weißen Zähnen. Lena warf einen Blick auf die Frau im Liegestuhl. Die Frau sah zwar in ihre Richtung, blickte aber durch sie hindurch.
»Ihre Frau?«, flüsterte Lena.
»Ja, sie ist schwer krank, sehr schwer krank. Sie spricht kaum mehr, hat Depressionen, auch schon einige Selbstmordversuche hinter sich.«
Jan von Lindenberg schlug betreten die Augen nach unten. Seine Mundwinkel zitterten leicht. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Es ist oft sehr schwer.«
Der Mann sah wirklich umwerfend in seiner Schwermut aus. Lena war keine Frau, die sich leicht um den Finger wickeln ließ. Sie staunte selbst, dass sie großes Mitleid mit ihm hatte. Wie einfach es jedoch war, sich auf seinen lockeren Ton einzustimmen.
»Und wohin wollen Sie mich jetzt entführen«, meinte sie mit einem koketten Augenaufschlag. Er grinste und entgegnete: »Das Schicksal will, dass ich Sie zum Mittagessen einlade. Kennen Sie den Kettensteg? Lena schüttelte den Kopf, hörte sich aber selber zustimmen.
»Ich ziehe mir nur schnell einen Mantel über, verabschiede mich von meiner Frau, bin gleich zurück. Der Pflegerin muss ich auch noch etwas sagen«, rief der Richter und ging ins Haus zurück.
Was ist das doch für ein aufmerksamer Mann, dachte Lena, und ihr Herz schlug plötzlich schneller. Sie machte einen Schritt auf den Hundezwinger zu, doch Trixi legte sich in die Leine und weigerte sich.
»Na, du Kampfameise, was ist denn los?« Trixi hatte das Schwänzchen unter den Bauch geklemmt und stellte sich stur. So konnte Lena den Hund nur aus der Entfernung betrachten.
Der Labrador stand bewegungslos da, wie eine Statue. Er vermittelte Lena
Weitere Kostenlose Bücher