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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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große Hilfe war. Weder das Nikotin noch der Alkohol. Als der Zug dann schneller wurde, ging ihr auf, dass es falsch gewesen war, wegzufahren. Ohne Mikaela nach Hause zu wollen.
    Wie hatte sie ihr Schicksal — und das ihrer Tochter — in Polizeichef Vrommels Hände legen können?, fragte sie sich. Gab es denn überhaupt einen Grund zu der Annahme, dass der den Fall lösen würde? Vrommel! Sie dachte daran, dass sie ihn schon vor sechzehn Jahren für einen ungeheuer ungehobelten Klotz gehalten hatte, und nichts deutete an, dass die inzwischen vergangenen Jahre ihn veredelt haben könnten. Während ihrer Tage hier in Lejnice war ihr jedenfalls nichts aufgefallen.

    Und jetzt sollte ausgerechnet er herausfinden, was mit Mikaela passiert war. Hauptkommissar Vrommel! Wie hatte sie — als Mutter und als denkende Frau — das geschehen lassen können? Und einem solchen Spitzenkretin die Verantwortung überlassen?
    Sie drückte ihre Zigarette aus und schaute auf die von der Sonne beschienene Polderlandschaft hinaus. Kanäle. Schwarz geschecktes Vieh auf der Weide. Eine Gruppe von niedrigen Steinhäusern, aus denen ein Kirchturm wie ein zaghafter Kontaktversuch in den endlosen Himmel ragte.
    Was denke ich hier eigentlich für einen Unsinn, dachte sie dann. Was glotze ich so? Spielt es denn eine Rolle, ob es Vrommel ist oder ein anderer? Es geht hier doch um Mikaela. Wo um alles in der Welt kann sie bloß stecken? Was ist denn nur passiert? Arnold ... wenn Arnold am Ende doch etwas weiß?
    Und noch einmal überkam sie dieses unerklärliche Schuldgefühl. Unerklärlich und ärgerlich wie eine wund gelaufene Stelle auf der Seele. Warum? Warum sollte sie — Sigrid Lijphart, ehemals verehelichte Maager — sich Vorwürfe machen? Sie hatte doch sogar mehr getan, als von ihr verlangt werden konnte ... sehr viel mehr. Sie hatte Mikaela von Arnold erzählt, obwohl es viel einfacher gewesen wäre, zu schweigen. Sie hätte die ganze Sache auch totschweigen können. Jetzt und für alle Zeit, das hätte Helmut gewollt — er hatte es nicht offen gesagt, aber Helmut war ja auch keiner, der dazu neigte, die Dinge offen zu sagen. Sie hätte schweigen und alles auf sich beruhen lassen können. Das hätte sie. Niemand hätte mehr von ihr verlangen können, und niemand hatte mehr von ihr verlangt.
    Warum also? Warum, zum Teufel, hatte sie diesmal nicht den einfachsten Weg genommen? Woher stammte dieses unvernünftige und unbezwingliche Streben nach Ehrlichkeit?
    Beweggründe, dachte sie. Du verfälschst deine Beweggründe.
    Sie konnte sich nicht daran erinnern, in welchem Zusammenhang er das gesagt hatte, aber es spielte auch keine Rolle. Sie begriff ja doch nicht, was er meinte.

    Damals nicht und heute nicht, fast zwanzig Jahre später. Seltsam, dass sie das noch wusste. Seltsam, dass es ihr jetzt einfiel. Beweggründe?
    Sie seufzte und steckte sich noch eine Zigarette an. Knüllte die Packung zusammen und warf sie in den Papierkorb, obwohl sie noch vier oder fünf Zigaretten enthielt.
    Es muss jetzt reichen, dachte sie. Will nicht zu Helmut zurückkommen und zu allem Überfluss auch noch nach Tabak stinken. Muss den Stil wahren.
    Aber danach war alles wie verhext. Diese Frage, die sie nicht einmal stumm und tief in ihrem Bewusstsein zu formulieren wagte, schwirrte ihr doch weiterhin im Kopf herum und jagte alle anderen Gedanken in die Flucht.
    Diese Frage.

18
    16. Juli 1999
     
    »Du glaubst, sie ist tot?«
    Ewa Moreno gab nicht sofort eine Antwort. Sie stieg aus dem Auto und wollte ihn auf die Wange küssen, hielt das aber dann aus irgendeinem Grund für unpassend und verzichtete darauf. Legte ihm stattdessen die Hand auf den Arm.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Gebe Gott, dass sie das nicht ist, aber ich habe einfach keine Ahnung. Ich muss einfach noch eine Weile weitermachen. Brauche etwas mehr Klarheit, ehe ich die Sache loslassen kann, das musst du mir einfach verzeihen.«
    Mikael Bau nickte.
    »Geh mit dem Rektor ein bisschen schonend um«, mahnte er dann. »Der ist über achtzig, vergiss das nicht. In einer Stunde, ist das in Ordnung?«
    »Plus minus eine halbe«, erwiderte Moreno. »Setz dich ins Hafencafé, damit du dich nicht unnötig ärgern musst.«
    Sie wartete, bis er losgefahren war, dann öffnete sie das weiß gestrichene Tor und ging über den Plattenweg auf das Haus zu. Es sah groß und gepflegt aus. Eine geräumige zweistöckige Villa aus gelbweißem Klinker — oben Balkons, unten Terrassen und riesige

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