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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Vier?
    E : Ja. Golli und Maager und noch zwei.
    W: Wer waren die beiden anderen?
    E : Einer, der Nielsen heißt. Und dann Cruickshank.
    W: Und wie viele wart ihr?
    E : Sieben. Zwei sind dann aber bald gegangen.
    W: Aber nicht du und Winnie?
    E : Nein.
    W: Wer waren die drei anderen?
    E : Tim van Rippe und Christopher Duikert. Und Vera Sauger.
    W: Fünf Jugendliche und vier Lehrer, also. Wie spät war es ungefähr, als ihr dort angekommen seid?
    E : Zwei, halb drei, schätze ich.
    W: Und was habt ihr bei Herrn Gollumsen gemacht?
    E : Ein bisschen getrunken und gesungen, Nielsen hat Gitarre gespielt.
    W: Und weiter? Was ist dann zwischen Arnold Maager und Winnie Maas passiert?
    E : Sie haben eine Weile geknutscht. Und dann sind sie in einem Schlafzimmer verschwunden.
    W: Und was habt ihr anderen gemacht?
    E : Wir anderen?
    W: Ja. Was habt ihr anderen gemacht, als Winnie Maas und Arnold Maager im Schlafzimmer verschwunden sind?
    E : Wir haben weiter gesungen und gequatscht.
    W: Wie lange?
    E : Weiß nicht. Eine Stunde vielleicht.
    W: Und dann habt ihr die Wohnung verlassen?
    E : Ja.
    W: Waren Winnie und Maager noch immer im Schlafzimmer, als ihr gegangen seid?
    E : Ja. Falls sie nicht aus dem Fenster gesprungen sind, aber das glaube ich nicht.

    W: Warum glaubst du das nicht?
    E : Weil das im dritten Stock war.
    W: Ich verstehe. Und hast du erfahren, was sie im Schlafzimmer gemacht haben?
    E : Ja.
    W: Wie das? Und wann?
    E : Wir haben es gehört.
    W: Ach?
    E : Sie haben so heftig gevögelt, dass die Wände gewackelt haben.
     
    Moreno schob die Papiere beiseite. Schaute auf die Uhr. Viertel vor eins. Das war das dritte Vernehmungsprotokoll, das sie gelesen hatte, und das Bild wurde langsam deutlich.
    Deprimierend deutlich, dachte sie.
    ... dass die Wände gewackelt haben.
    Was für ein Mistkerl, dachte sie. Kein Wunder, dass er sich in der Klinik verkrochen hat. Kein Wunder, dass er verrückt geworden ist.
    Eine Frau und eine Tochter von zwei Jahren.
    Hatte Mikaela das im Sidonisheim erfahren?
    War es das, was seine Frau sich vorstellte?
    Nein, es war nicht schwer, diese Flucht in den Irrsinn zu verstehen. Wirklich nicht. Sozusagen in aller Öffentlichkeit eine Sechzehnjährige zu vögeln. Dass die Wände nur so wackelten... o verdammt! Und sie dann zu ermorden, als sie die Frechheit besaß, schwanger zu werden.
    Polizeiinspektorin Ewa Moreno stützte den Kopf in die Hände und schaute auf den sonntäglich leeren Platz hinaus. Die Kaltwetterfront war noch da, der Regen hatte im Laufe des Morgens jedoch aufgehört.
    Triebe, überlegte sie.
    Geschlecht und wenig Herz. Das Gehirn baumelt an einer Schnur hinterher. Und ist sicherheitshalber vom Alkohol benebelt.

    Die Parallele zwischen dem Fall Maager und ihrer eigenen Defloration war ihr schon seit einigen Tage vage bewusst gewesen, und jetzt sah sie die Szene deutlicher vor sich als seit vielen Jahren.
    Das enge Hotelzimmer an der Piazza di Popolo in Rom. Der ewigen Stadt. Der ewigen Liebe.
    Sie. Eine siebzehnjährige Gymnasiastin. Ein Jahr älter als Winnie Maas nur — und in der Zeit auch nur ein Jahr hinter ihr, wie ihr zu ihrem Schrecken jetzt aufging. 1984. Klassenreise mit dem Sprachkurs. Frühsommer. Lebenslust.
    Er. Sechsunddreißigjähriger Lateinlehrer.
    Stark. Belesen. Kultiviert.
    Ein Mann von Welt mit behaarter Brust und warmen Händen. Bei ihrer Liebe hatten die Wände nicht gewackelt, auch wenn es heftig zugegangen war, und sie hatten auch auf Zeugen verzichtet. Er hatte versprochen, sich Ewa zuliebe von seiner Frau scheiden zu lassen, und sie hatte ihm geglaubt.
    Sie hatte ihm so fest geglaubt, dass sie am Ende besagte Gattin angerufen hatte, um die Sache mit ihr zu besprechen.
    Danach: seine Feigheit. Seine monumentale Erbärmlichkeit.
    Damals war sie zum ersten Mal auf einen dermaßen erniedrigend schwachen Menschen gestoßen, und als ihr mehrere Jahre darauf die Gattin begegnet war, hatten sie sich von Frau zu Frau ausgesprochen. Die Frau hatte ihren Lateinlehrer verlassen und nahm an, dass er noch immer in bezaubernden engen Hotelzimmern in Rom seine Schülerinnen verführte.
    Aber warme Hände, behaarte Brust und Witz.
    Aber hier war jetzt nicht die Rede von diesem Blödian. Nicht von ihm und auch nicht von Ewa Moreno.
    Die Rede war von einem toten Mädchen namens Winnie Maas. Und von einem (hoffentlich) lebenden namens Mikaela Lijphart.
    Und von Arnold Maager, Mikaelas Vater.
    Er hatte sechzehn Jahre Zeit gehabt, um sich für die Begegnung mit

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